Vom Poetry-Slam zum Roman: Emil Kaschka im Interview

von Simon Riegler
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In der Poetry-Slam Szene ist Emil Kaschka schon seit einigen Jahren bekannt und tätig. Nun veröffentlicht er mit “Grünholz” seinen ersten Roman und spricht mit UNIpress über Einflüsse und Inspiration, welche Unterschiede zum Poetry-Slam existieren und ab wann man am besten den Roman an einen Verlag senden sollte.

Emil Kaschka ist seit Jahren auf unzähligen Poetry-Slam Bühnen des Landes unterwegs und gehört unter anderen für Markus “Papa Slam” Köhle zu den aufstrebenden Talenten der Szene. Mit “Grünholz” wagt sich Emil Kaschka nun an den Roman. Im titelgebenden Internat, gelegen in einem sehr konservativen Ort im Alpenraum, begleiten wir die Freundschaft zwischen Jonas und Oskar. Zwei Jugendliche, die in diesem Mikrokosmos schönen aber auch schrecklichen Seiten begegnen und zwischen Gruppendynamiken und konservativen Denkweisen zu überleben versuchen. UNIpress hat mit Emil Kaschka über seinen Debütroman gesprochen, über seine Inspiration und Erfahrungen und warum auch Poetry-Slam Literatur ist.

 

UNIpress: Emil, man kennt dich von den Poetry-Slam Bühnen des Landes, auf welchen du deine Texte performst – Wie passt nun ein Roman in dieses Bild?

Emil Kaschka: Bei mir waren die Grenzen zwischen einem Poetry-Slam Text und einem Roman nie so sehr gegeben. Für mich hat sich das sehr vermischt, beides ist Literatur. Die Geschichte für den Roman habe ich schon mit 21 Jahren zum Beginn meiner Studienzeit geschrieben. In dieser Zeit habe ich auch mit dem Poetry-Slam angefangen. Es kam damals aber nicht zur Veröffentlichung des Romans, da ich ihn an die falschen Verlage geschickt habe. Ich habe den Roman dann beiseite gelegt, auch weil ich in dieser Zeit meinen Erfolg bei den Österreichischen Meisterschaften im Poetry-Slam hatte. Da wurden meine Auftritte häufiger und ich war dann landesweit sehr viel unterwegs.

UNIpress: Wie unterscheidet sich das Schreiben eines Poetry-Slam Textes von dem eines Romans?

Emil: Ein Poetry-Slam Text kann manchmal aus einem Impuls heraus entstehen und in wenigen Stunden runtergeschrieben werden. Ein Roman hingegen braucht unglaublich viel Selbstdisziplin. Man kann es ein bisschen mit der Leichtathletik vergleichen: Poetry-Slam ist wie der 100 Meter Sprint der Literatur: Viel Action, sehr unmittelbar und man muss sehr dynamisch sein. Der Roman hingegen ist ein Marathonlauf. Es steckt viel Planung und Training dahinter und natürlich dauert es auch um einiges länger. Der Roman war sicherlich eine Herausforderung für mich, da ich konsequent daran arbeiten musste, um nicht den Fokus zu verlieren.

UNIpress: Können der Romanautor und der Poetry-Slammer nebeneinander bestehen oder wird auf lange Sicht einer die Überhand gewinnen?

Emil: Beides kann sehr gut nebeneinander bestehen. Es ist nur die Rezeption sehr unterschiedlich. Mit einem Roman wird man in der Literaturwelt wahrgenommen, mit einem Poetry-Slam hingegen nicht. Der Poetry-Slam ist eine ganz eigene Szene, die in der öffentlichen Literaturwelt leider wenig wahrgenommen wird. Erst der Roman bringt dich mehr in diese Literaturszene hinein, wo man dann auch vom Feuilleton beachtet wird.

UNIpress: Der Roman als Eintrittskarte in die Literatur?

Emil: Literatur ist für mich beides. Für viele aber leider nicht. Das sieht man auch bei anderen Poetry-Slammern sehr gut. Elias Hirschl beispielsweise, der in der Slam Szene sehr bekannt ist und mit seinem neuesten Roman „Saloonfähig“ einen großen Erfolg feiert – bei ihm wird immer wieder berichtet, dass er den Spagat zwischen Literatur und Poetry Slam schafft. Dabei zählt aus meiner Sicht beides zur Literatur, sowohl der Poetry-Slam als auch der Roman. Nur findet der Poetry-Slam in der Literaturbesprechung keinen Platz. Der Roman hingegen schon – er wird eben um einiges seriöser wahrgenommen.

UNIpress: Weil er anspruchsvoller im Schreiben ist?

Emil: Nein. Ich bin mir sicher, dass viele Romanautoren, die hervorragende Romane schreiben und veröffentlichen, keine guten Poetry-Slam Texte zustande bringen würden. Poetry-Slam Texte sind zudem oft an ihre Aufführung gebunden, weil die Performance einen großen Teil davon ausmacht, wie der Text schlussendlich aufgenommen wird. Der Poetry-Slam ist wahrscheinlich einfach noch zu jung, in Österreich gibt es ihn ja erst seit etwa 20 Jahren.

Und doch denke ich, dass er auf kurz oder lang seinen Weg in das Feuilleton finden wird und seine Anerkennung als Literatur erhält.

 

© Bernhard Kapelari

Emil Kaschka

1996 in Tirol geboren, wuchs Emil Kaschka flämischsprachig am Land auf. Er studierte Germanistik in Innsbruck, Sevilla und Wien. Seit einigen Jahren performt er seine Texte auf den großen Poetry-Slam-Bühnen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Mit „Grünholz“ wagt Kaschka nun sein Romandebüt.

 

 

 

UNIpress: Die Geschichte über zwei Jugendliche, die in ein Internat kommen und mit den täglichen Problemen dieses Mikrokosmos zu leben lernen müssen – ist „Grünholz“ ein Jugendroman?

Emil: Der Roman wird zwecks Marketing als Jugendroman eingestuft. Der Verlag wollte das unbedingt, weil sie das Buch dann auch in die Oberstufen als Klassenlektüre bringen können. Die Rückmeldungen von Freunden und Bekannten, denen ich den Roman zum Lesen gegeben habe, waren da aber eindeutig: Der Roman hat eine viel größere Reichweite. Er greift tiefere Themen auf, enthält Lyrik- und Dramatikteile und ist auch weit von einem klassischen Happy End entfernt.

UNIpress: Dann war es nicht von Anfang an geplant, einen Jugendroman zu schreiben?

Emil: Nein, tatsächlich nicht. Die Geschichte war zu Beginn als Coming-of-Age-Roman konzipiert. Die Handlung sollte sich um zwei Jugendliche drehen, die erwachsen werden. Ich wollte damit aber ein breiteres Publikum ansprechen, weil die Thematik des Romans eine viel schwerere und weitreichendere ist. Erst als ich vom Verlag die Zusage erhalten habe, hat mir die Lektorin mitgeteilt, dass es das Ziel gibt, den Roman in die Oberstufen zu bringen. Auf dieses Vorhaben hin wurde der Roman dann auch nochmals überarbeitet.

UNIpress: Inwiefern?

Emil: Es gab immer wieder Diskussionen zu einigen Stellen, die ich nicht verkindlichen wollte, der Verlag aber schon, um dem Jugendroman gerecht zu werden. Da ging es dann neben ganzen Textstellen auch um Begriffe und Worte wie „Masturbation“, wo wir viel diskutiert haben, ob das geeignet ist. Schlussendlich konnten wir aber einen guten Kompromiss finden, mit dem beide Seiten zufrieden waren.

UNIpress: Wie viel eigene Erfahrung, eigene Erlebnisse stecken in diesem Roman?

Emil: Dadurch, dass ich selbst am Land aufgewachsen bin und den Roman mit so jungen Jahren geschrieben habe, konnte ich mich mit den Figuren und der Gruppendynamik sehr gut identifizieren. Daher ist sicherlich auch einiges an eigenen Erlebnissen und Erfahrungen miteingeflossen. Zudem hat mein Bruder zur damaligen Zeit eine Landwirtschaftsschule besucht und dabei sehr viele heftige und inspirierende Geschichten mit nach Hause gebracht.

Schlussendlich ist auch eine Portion Fantasie dabei – allerdings weniger als man hoffen mag, wenn man mit dem erschreckend konservativen Milieu im Roman konfrontiert wird.

 

UNIpress: Besonders als unbekannter Autor ist die Verlagssuche ein schweres Pflaster. Wie hast du diese Suche mit deinem ersten Roman erlebt?

Emil: Meist fängt die Verlagssuche mit viel Warten an. Man schickt den Verlagen eine Kurzbiografie sowie eine Textprobe. Dann beginnt das Warten: Es kann bis zu 6 Monate dauern, bis es zu einer Rückmeldung kommt. Wenn man hingegen keine Antwort erhält, dann ist dies einer Absage gleichzusetzen. Diese Zeit, diese Ungewissheit, gibt einem ein extrem ungutes Gefühl. Wenn dann aber eine positive Rückmeldung erfolgt, der Verlag den Roman veröffentlichen will, dann beginnt nochmals ein großes Stück Arbeit. Der Text wird mit Hilfe einer Lektorin überarbeitet, das Layout muss gestaltet, die Veröffentlichung geplant werden.

UNIpress: Also lieber am Anfang des Bachelorstudiums den Roman einschicken?

Emil: Ja. Ich habe den Roman tatsächlich auch zu Beginn des Studiums an zwei Verlage geschickt, da aber leider Absagen erhalten.

UNIpress: Warum?

Emil: Beide Male wurde ich vom Verlag darauf hingewiesen, dass sie keine Jugendromane im Programm haben. Das Ihnen mein Schreiben allerdings gefalle und ob ich andere Texte hätte. Das hat mich damals sehr entmutigt, weil ich gerade ein halbes Jahr an diesem Projekt gearbeitet hatte, 21 war und natürlich keinen anderen Roman rumliegen hatte. Daher habe ich den Text dann auch einige Jahre liegen gelassen. In der Corona-Zeit jedoch hatte ich nun wieder mehr Zeit und die Gelegenheit genutzt, den Roman nochmals aus der Schublade zu wühlen und zu überarbeiten. Zwischen der Version die jetzt erscheint und der, wo ich mit der Idee begonnen habe, liegen nun über vier Jahre.

UNIpress: Welche Lehren hast du aus deinem ersten Roman gezogen und welchen Rat würdest du anderen Studierenden geben, die selbst einen Roman schreiben möchten?

Emil: Die Verlockung, sich hinzusetzen und ein erstes Kapitel zu schreiben, ist riesig. Umso wichtiger ist es für mich, den Roman noch vor dem ersten Absatz von Anfang bis Ende zu planen. Zwar wird sich während des Schreibens nochmals einiges ändern, mir selbst aber hat es extrem geholfen. Denn auch wenn das Schreiben teils mühsam ist, hat man immer das Ziel vor Augen und das war für mich dann immer eine starke Motivation. Andererseits würde ich mir heute nicht mehr so viel Zeit lassen mit dem Schreiben. Ich habe damals über ein halbes Jahr an dem Text geschrieben, obwohl es nicht einmal ganz 200 Seiten sind. Zwischendrin hab ich auch wochenlang gar nicht geschrieben. Besonders diese Pausen würde ich vermeiden, da der Romantext dann auch flüssiger wirkt, man sich an noch mehr Kleinigkeiten erinnert und mehr Zusammenhänge ziehen kann.

UNIpress: Nach diesem gelungenen Romandebüt – Wird die Poetry-Slam Karriere an den Nagel gehängt?

Emil: Auf keinen Fall. Der Poetry-Slam hat unter Corona natürlich sehr gelitten, aber ich freue mich immer noch sehr über jeden Auftritt. Seit Mai/Juni wird auch wieder geslammt, zwar noch auf Sparflamme, aber es zieht wieder an. Und das Auftreten beim Poetry-Slam, das Performen vor Publikum ist natürlich ein Highlight, welches ich nicht aufgeben möchte.

 

Auf unipress.at erscheint in Kürze eine Rezension zum Roman “Grünholz” von Emil Kaschka.

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