Wie steht Österreich da?

von Rosa Schmitz
Lesezeit: 5 min
Es kann keiner mehr abstreiten, dass er uns trifft. Mit Wucht und immer offensichtlicheren Folgen. Der Klimawandel. Getan wird dagegen allerdings viel zu wenig. In der Politik regieren Ignoranz und Zögerlichkeit. Dabei steht unsere Zukunft auf dem Spiel.

Die österreichische Klimapolitik kommt nicht vom Fleck. Im September 2014 wurde der erste österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel veröffentlicht – gefördert vom Klima- und Energiefond. Mehr als 240 Klimaforscher haben hierzulande an der Erstellung mitgewirkt. Der über 1.000 Seiten starke Bericht enthält den aktuellsten“ Kenntnisstand über den Klimawandel und seine Auswirkungen in Österreich sowie über Maßnahmen zur Minderung und Anpassung.

Laut den Klimaforschern werden die Durchschnittstemperaturen in Österreich bis zur Mitte dieses Jahrhunderts weiter ansteigen. Zu erwarten sind heiße, trockene Sommer mit etwa doppelt so vielen Tagen über 30 Grad Celsius wie bisher. Aufgrund des direkten Hitzestresses ergeben sich nicht zu unterschätzende Gefahren für die Gesundheit des Menschen. Einschließlich dank geringer nächtlicher Abkühlung. Und dann sind da natürlich noch die drastischen Folgen für die Natur.

Die alpinen Gletscher haben in den letzten 100 Jahren rund 50 Prozent ihres Eises aufgrund von Temperaturanstieg und veränderter Niederschlagssituation verloren. Der Trend setzt sich fort. Der sichtbare Rückgang bedeutet einen Verlust natürlicher Wasserspeicher – und eine deutlich verminderte Attraktivität der Bergregionen. Mit erheblichen Folgen für den Tourismus.

So dürften die Winter im Durchschnitt weniger kalt und schneereich werden. Dementsprechend ist eine Abnahme der Tage mit Bedeckung für eine Reihe von Wintersportorten zu erwarten. Sowie einer zunehmenden Gefahr von Bergstürzen, wegen des Anstiegs der Permafrostgrenze. Aber auch eine wachsende Frequenz von Niederschlägen, Hagel, Dürreperioden, Verringerung des Bodenwassergehalts, Hochwasser und so weiter ist eine absehbare Konsequenz im Alpenraum.

Mit dem Klimarat startete die Alpenrepublik ein demokratiepolitisches Experiment. Doch die Bilanz ein Jahr später ist trüb. Von 93 formulierten Empfehlungen wurden bisher nur wenige umgesetzt. Große Umbrüche sind nicht zu spüren. Hier ein paar Statistiken zum Stand der Dinge hierzulande:

  • 900.000 Tonnen Plastikmüll fallen jährlich in Österreich an. (Quelle: ZIB)
  • Österreicher.innen nehmen wöchentlich Mikroplastik in Menge einer Kreditkarte auf – heißt: ein Viertelkilo Plastik pro Jahr. (Quelle: Die Presse)
  • 1 Million Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle entstehen in Österreich jedes Jahr – valide Zahlen der Landwirtschaft fehlen allerdings. Weltweit werden jährlich 12.800 Tonnen Rindfleisch gekauft, aber nicht gegessen. Pro österreichischen Haushalt heißt das: Etwa drei verschwendete Kilo. Das sind 66 Kilo CO2eq, die sinnlos das Klima belasten. (Quelle: WWF Österreich)
  • Die reichsten zehn Prozent des Landes verursachen übrigens rund doppelt so viel klimaschädliche Emissionen wie österreichische Durchschnittsverdiener, welche bei 21,3 Tonnen CO2 pro Haushalt und Jahr liegen. (Quelle: Greenpeace)

Ende Mai 2022 hat der Nationalrat eine Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes beschlossen. Dieses enthält eine Meldepflicht für Supermärkte. Sie sollen ab Oktober dem Umweltministerium unter anderem darlegen, wie viele Lebensmittel sie weggeworfen haben. Ein guter erster Schritt. Aber er allein wird nicht ausreichen, um der Lebensmittelverschwendung einen Riegel vorzuschieben. Auch auf andere Branchen – zum Beispiel der Gastronomie, der öffentlichen Versorgung und Lebensmittelproduzenten – sollte eine Meldepflicht ausgerollt werden. Und es sollten konkrete Reduktionsziele vorgegeben werden.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind vielfältig. An erster Stelle: der globale Temperaturanstieg. Allerdings ist auch die Zunahme von Naturkatastrophen und sogenannten Extremereignissen mit dem katastrophalen Phänomen verbunden, wie schwere Stürme, Überschwemmungen, Hitzewellen, Bodenerosionen, der Anstieg des Meeresspiegels und Gletscherschmelze. Diese bringen eine lange Liste drastischer Nebenwirkungen mit sich. All das nahezu tatenlos hinzunehmen, ist unverantwortlich.

Einige positive Entwicklungen sind festzuhalten:

  • So kommt man binnen acht Stunden per Bahn ab Wien in jede vierte EU-Hauptstadt. Ab Innsbruck sogar jede dritte Stunde. Die Bahn ist also nicht nur für den Österreich-Urlaub geeignet! Bereits 2022 wurden laut Daten der Statistik Austria von Österreich aus 3,36 Millionen Urlaubsreisen per Zug angetreten, so viele wie noch nie und im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 ein Plus von einem Drittel. Neben dem verstärkten Umweltbewusstsein gibt es auch einen Klimaticket-Effekt. (Quelle: Mobilitätsorganisation Verkehrsclub Österreich)
  • Dank des Klimatickets sind die Öffis in Österreich auf Platz 3 im Europa-Ranking. (Quelle: Greenpeace)
  • In Österreich gibt es deutlich mehr Nichtflieger als Vielflieger. 18 Prozent von Österreichs Bevölkerung ab dem 16. Lebensjahr fliegen laut repräsentativer Umfrage des MARKET-Instituts mehrmals im Jahr oder häufiger. Hingegen fliegen 29 Prozent nie und weitere 52 Prozent einmal im Jahr oder seltener. (Quelle: Mobilitätsorganisation Verkehrsclub Österreich)
  • Ab Herbst kommt an allen öffentlichen Wiener Pflichtschulen auch ein wöchentlicher Veggie-Day!. Damit werde der Qualitätsanspruch beim Schulessen weiter gesteigert und das Klima geschont, so Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr. Allerdings ist laut Bildungsminister Polaschek keine Ausweitung des Fleischverzichts auf Österreichs Bundesschulen geplant. Laut den von Ernährungsberatern erstellten Speiseplänen ist im Schnitt einmal pro Woche ein Fleischgericht für Schulkinder vorgesehen. Allerdings würden viele Schulen bis zu drei Mal pro Woche Fleisch bestellen. Wird ein Menü mit Fleisch angeboten, wählen es rund 40 Prozent der Schulen aus.

Auch sanken Österreichs CO2-Emissionen 2022 auf den niedrigsten Wert seit 1990 – um 6,4 Prozent auf 72,6 Millionen Tonnen. Damit bewegt sich das Land endlich in Richtung der EU-Ziele für 2030. Doch dies wäre nie und nimmer möglich gewesen, ohne den warmen Winter und den russischen Einmarsch in die Ukraine, der die Gaspreise so stark ansteigen ließ. Zu jubeln, dass die Alpenrepublik die Sache im Griff hat, wäre also reichlich verfrüht. 

Der Schaden, der angerichtet wird, übersteigt trotz diverser sinnvoller Maßnahmen immer noch die Wiedergutmachung. Und ein massives Problem ist die Realitätsverweigerung in der Gesellschaft. So glaubt laut Statista ein Drittel der Bevölkerung immer noch fest daran, dass der Klimawandel entweder nicht real ist oder keine Bedrohung darstellt, gegen die mehr getan werden muss. Ein Grund mehr, den anderen zwei Dritteln zu helfen, die Regierung zu ernsthaften, weitreichenden und dauerhaften Veränderungen zu drängen. Und nicht nur mit leeren Versprechungen oder weit entfernten Fristen so tun, als sei alles gar nicht schlimm. 

So sagte auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der heurigen Eröffnung des Austrian World Summit: „Wir Politiker müssen aufhören, Lösungen zu versprechen, die keine sind, nur weil es unter Umständen innenpolitisch gerade opportun erscheint. Was wir brauchen, ist der Mut, die Augen aufzumachen und der Realität ins Auge zu schauen.“

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