Wahlfisch: Skifahren

von Laura Wallner
Schlagwörter: Lesezeit: 4 min
Ein verschneiter Wintertag steht vor der Tür und die Innsbrucker Studierenden stehen vor einem bergigen Dilemma: To ski or not to ski, das ist hier die Frage.

Schifoan is des leiwaundste

Laura Wallner

Endlich ist es wieder so weit, der winterliche Pistenspaß schreit.

Rauf ins Paradies geht es mit der frühsten Gondel, Ellenbogen an Ellenbogen, jeder will die ersten Spuren ziehen und nur für einen Tag dem Alltag entfliehen. Nicht nur eine sportliche Herausforderung stellt einem der Tag, auch kulturell gibt’s Schockgarantie ohne Frage. Der „Melting-Pot“ namens Bergstation vereint Profisportler und Après-Skifahrer, zusammengewürfeltes Keller-Fundstück-Chic und Pelzjackerl im Wert von sechs Monatsmieten.

A Traumtagerl: strahlend blauer Himmel, Weitblick ohne Ende und präpariertes Gelände. Was gibt es Schöneres, als seine Kurven zu ziehen, sich nur auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, wie man den nächsten Schwung macht, und merkt, wie der Stress abfällt und man ein bisserl in sich hineinlacht. Wenn die Wangen vor Kälte glühen und die Wadenmuskeln brennen, wird es Zeit für die Einkehr inklusive Dessert. Beim Betreten der urigen Hütte wird es einem dann bewusst – „Hier ist Selbstbedienung“, sagt jemand voller Frust.  Mit Skischuhen wackelt man in Richtung Buffet. Da steigt einem der überwältigende Duft von Käsespätzle in die Nase. Oder sind es die Skischuhe, die der Nachbartisch über dem Kachelofen trocknet? Bei einem Verdauungsschnaps mit guten Freunden sinniert man über das Leben. Was könnte es schon Schöneres geben? Und im Hintergrund trällert Wolfgang Ambros: „Weil Schifoan is des leiwanundste, wos ma se nur vurstelln ka, […] I foar no ned z`Haus i bleib am Montag ano do.“ Ich erinnere mich, dass heute Montag ist, und in dem Moment wird mir meine verdrängte To-Do-Liste präsent. Ich schieb den Gedanken weg wie einen sulzigen Haufen Schnee und bei der nächsten perfekten Kurve entwischt mir ein „Juche!“.

Ja, ich gebe es zu, ich liebe Schifahren und den Schnee – gern erfüll ich das Innsbrucker Klischee.

Patscherkofel Patscherl

Kristina Kerber

Egal ob man an Gott, den Urknall oder das Spaghettimonster glaubt: Wer oder was auch immer uns erschaffen hat, hätte sicher nicht gewollt, dass wir uns von Fischbeinen zu vollfunktionalen Füßen bis hin zu Brettern an den Sohlen entwickeln. Skifahrende sind also nichts anderes als eine degenerierte Generation. Zehnmal rauf, zehnmal runter (wenn man Glück hat). Beim Rodeln kann ich diese Nahtoderfahrung wenigstens im Sitzen machen. Was man übrigens noch im Sitzen machen kann, ist gemütlich Glühweintrinken und Nicht-In-Lebensgefahr-Schweben. Und zwar da, wo’s warm ist.

Ob man nun lebensmüde ist oder nicht, sei dahingestellt, aber ich kann mir schönere Arten vorstellen zu verenden, als drei Purzigagel zu schlagen und dann am anderen Ende des ach so tollen Hangs zu liegen. Und selbst der Tod ist nicht garantiert. Immerhin kann’s ganz blöd laufen und man landet noch am selben Tag in einem Krankenhauszimmer mit drei anderen sportunfähigen Sportverrückten, die im allerschlimmsten Fall sogar noch weitaus mehr bestürzende Sturzgeschichten zu erzählen haben.

In Skimontur gezwängt kommt man sich ohnehin gleich vor wie in der Zwangsjacke, was für viele ohnehin die bessere Ausgangsposition wäre. Und mit den Leuten im skischuhinduzierten Watschelgang kommt man sich auch gleich vor wie beim Klapsenwandertag. Bei vielen frag ich mich auch, ob der besagte Watschelgang, der oft zum Watschellauf mutiert, daran liegt, dass jemand gerade metaphorischen gelben Schnee innerhalb des luftdichten Skianzugs produziert, weil die Kloschlange mal wieder zu lang war. Und selbst wenn man freie Bahn hat, ist’s spätestens dann zu spät, wenn’s drum geht, die Schneehose samt sexy Skiunterwäsche, für deren Montur man wertvolle Lebenszeit verschwendet hat, wieder loszuwerden.

Après-Ski kann ich mir schon eher einreden lassen. Was in meinen Augen allerdings gar nicht geht ist, dass ich mit ein, zwei zu vielen Glühweingläsern intus nach dem Törggelen auf dem Rad angehalten werde, aber mein Wolfgang Ambros liebender Ski-Sympathisant sogar ganz ohne Führerschein mit drei Promille schlagermusikschmetternd die Piste runterbrettern darf.

Das Beste am Skifahren ist meist das Fahren selbst. Immerhin kann man sich beim kurzwelligen Genießen der Weihnachtskartenaussicht vorstellen, wie man bald wieder im warmen, beheizten Wohnzimmer sitzt, die bretterbefreiten Beine ausstreckt und das schlechte Gewissen des sonst eher unsportlichen Daseins abgeschüttelt hat. Und während man drüber nachdenkt, sitzt man schon wieder im Lift nach oben, weil die Belohnung nach dem Schifoan is des leiwaundste, wos ma sich nur vurstelln kann.

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