Tirol – zwischen Metropole und Provinz

von Julia Hohengasser
Lesezeit: 5 min
Tirol, das Bundesland, das im Herz der Alpen liegt und von hohen Bergen dominiert wird. Hier verbinden sich Kultur und Natur, Höhe und Tiefe, Tradition und Trends. Lassen sich diese extremen Gegensätze miteinander verbinden?

 In fast jedem Tal Tirols wird ein anderer Dialekt gesprochen. Eine Vielzahl von den unterschiedlichsten Traditionen sind zu finden. In der Hauptstadt Innsbruck herrscht eine Mischung aus Alpenpanorama und historischer Kultur, gespickt mit modernem Flair. Skifahren und Après Ski oder doch lieber ein Besuch im Landestheater oder in einem Restaurant? Zwei scheinbare Extreme, die traditionellen Werte auf der einen Seite und moderne Vielfalt auf der anderen, machen das Leben hier auf keinen Fall langweilig.

Tirol isch lei oans

Wenn man an Tirol denkt, kommt einem wohl sofort die majestätische Bergwelt in den Sinn. Schon 1829 schrieb Johann Wolfgang von Goethe über Tirol: „Hierher gekommen, gleichsam gezwungen, endlich an einen Ruhepunkt, an einen stillen Ort, wie ich ihn mir nur hätte wünschen können.“ Die Natur, in welcher zu jeder Jahreszeit unzählige Sportarten ausgeführt werden können, heißt Adrenalin- und Erholungsuchende gleichermaßen willkommen. Dem Alltagsstress und den Sorgen zu entfliehen und einfach zu sich selbst und seiner inneren Ruhe zu finden, ist wohl der Hauptgrund, warum es so viele Tourist:innen hierher zieht. Zahlreichen Sportarten und Touren sind kaum Grenzen gesetzt, angefangen beim Skifahren im Winter, bis hin zum Bergsteigen im Sommer. Die Bergwelt ist einzigartig, dabei laden grüne Almen mit bäuerlichen Hütten und guter altmodischer Hausmannskost zur Einkehr und zum Verweilen ein. 

Die Sportler:innen und Naturbegeisterten unter uns können in der Hütte einkehren. Tirols Spezialitäten, wie etwa Speckknödel, Gröstl, Kasspatzln oder eine Brettljause, lassen fast keine Wünsche offen. Durch die frische Bergluft schmeckt dabei alles nochmal besser. Natürlich erst nach dem obligatorischen Gipfelfoto – für manche die größte Motivation, den Berg zu besteigen, um es anschließend auf Instagram zu posten. Es muss schließlich jeder sehen, welcher Gipfel diesmal bezwungen wurde. Und auch das zehnte Gipfelkreuz muss fotografiert werden. Ob diese am Ende der Saison beim Ansehen der Fotos verwechselt werden, ist dabei einerlei. Nicht nur Berggipfel gibt es zu besteigen, auch eine Menge Naturseen laden zum Abkühlen im Sommer ein. Alte Bräuche sind in den Tälern Tirols wie Sand am Meer zu finden. Gleich, ob man gerade im Ötztal, Paznauntal, Pitztal, Zillertal, Stubaital, in Osttirol oder am Achensee ist. 

Ein zu groß geratenes Dorf

In den Dörfern gilt: Jeder kennt jeden, egal, ob es die guten oder schlechten Seiten sind. Kleine Missgeschicke oder große Taten sind in aller Munde und sogar manche Dorfzeitungen oder sogenannte Faschingszeitungen berichten, mal mehr, mal weniger objektiv, über das Dorfgeschehen. Man kennt seine Nachbarn, ob man es nun will oder nicht. Jeder grüßt jeden und wehe wenn nicht. Manche von uns schätzen diesen persönlichen Flair, das Gefühl zu einer Gemeinschaft zu gehören. Doch viele von uns kennen wohl ebenso das Gefühl, dass das Dorfleben nicht genug ist. Raus in die große Stadt heißt es dann —doch ist Tirols Hauptstadt dafür groß genug?

Dort, wo das Leben pulsiert, wo zahlreiche Bars und Veranstaltungen zu finden sind. Dahin wollen wohl die meisten von uns mindestens einmal eine Zeit lang. Hohe Lebensqualität, attraktive Verkehrsanbindungen und zahlreiche Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben, ob nun tagsüber oder nachts, sind dabei das Sahnehäubchen. In der Universitätsstadt Innsbruck findet sich eine belebte Kulturszene, das ein oder andere Musikfestival und ein reges Nachtleben. Dabei muss aber in Kauf genommen werden, in seiner studentischen Laufbahn die immer gleichen Bars abzuklappern, in der Hoffnung, irgendwann möge ein neues Lokal eröffnen. Für die einen scheint unsere Hauptstadt klein aber fein, für die anderen nicht mehr als ein großes Dorf. 

Hinweise auf die Bergwelt gibt es dabei an jeder Ecke. Sei es an der Leopold-Franzens-Universität, welche mit einem alpin-urbanen Campus wirbt, oder der Verkehrsverbund Tirol. „Von der Uni in die Berge auf die Party“, heißt es da. Bringt die Mehrheit der Studierenden tatsächlich die Motivation auf, mehrmals wöchentlich in die Berge zu fahren? Eine gehörige Portion Disziplin ist da schon eher nötig. Auch vor ungläubigen Blicken wird man nicht geschont. Doch nicht jeder möchte am Wochenende früh aufstehen, um bei Minusgraden Skifahren zu gehen. Angenommen man identifiziert sich eher als Couchpotato und nicht als begeisterter Bergsportler, wird man in Innsbruck übermannt werden von sportlichen Angeboten. 

In Tirols Hauptstadt trifft moderner Flair auf Tradition.

Tradition trifft auf Moderne

Sportliche Aktivitäten und  Alpenpanorama treffen auf urbane Lifestyle-Kultur. Auf charmante Art und Weise wird Tradition mit Moderne verbunden. Die Altstadt-Atmosphäre mit den berühmten Sehenswürdigkeiten, wie etwa dem goldenen Dachl, ist dabei nur einen Atemzug von der nächsten Wanderung, Radtour oder dem nächsten Skigebiet entfernt. Dabei können die meisten Strecken mühelos zu Fuß oder mit dem Rad bestritten werden. Die Reihen der alten Stadtgebäude werden immer wieder durch Elemente neuer moderner Architektur durchbrochen. Die Bergiselschanze oder die Hungerburgbahn sind die urbanen Sprenkel, die das bergige Innsbruck schmücken.

In Tirol treffen Stadtbummel auf Gipfelsieg, Tiroler Abende und Blasmusik sind ebenso zu finden wie Opern oder Musicals, Lederhosen treffen auf Smokings. So vielseitig die Alpenstadt Tirols nun auch sein mag, mit den zahlreichen Möglichkeiten zum Shoppen und Flanieren, mag es für einige von uns doch immer einen Ticken zu traditionell sein. Den richtigen Großstadt Glamour wird man hier nicht finden, doch dafür eine einzigartige Mischung aus traditionell und modern. 

Dieser Artikel erschien auch in der Mai/Juni-Ausgabe 2022.

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