Kauft ein, Genossen

von Anna Lena Tonner
Lesezeit: 5 min
Stell dir vor, dir gehört ein Supermarkt. Du bestimmst, was verkauft wird und von wem und wo die Ware kommt. Speis von Morgen ist eine Einkaufsgenossenschaft in Innsbruck und sie zeigt, wie Einkaufen auch anders geht.

Das Wort Genossenschaft haben die meisten von uns wohl schon mal gehört – es geht um einen Verband von Menschen, welche dieselben Ziele und Zwecke verfolgen, und deshalb entscheiden, sich zusammenzuschließen. Die Gleichung ist dabei ganz einfach und vor allen Dingen gar nicht neu. Die Idee zur Gründung von Genossenschaften reicht bis ins Großbritannien des 19. Jahrhunderts zurück. Anders als bei klassischen Unternehmen geht es bei Genossenschaften nicht um die Bereicherung einzelner Akteure, sondern um das Gemeinwohl aller Beteiligten. Durch das Einkaufen von größeren Mengen und das Auslassen von Zwischenhändlern gelangen sowohl Produzenten als auch Käufer in eine bessere Verhandlungsposition. Zusammen einzukaufen bedeutet, zusammen zu sparen. Aber nicht nur dieses Argument steht bei der Einkaufsgenossenschaft im Vordergrund, wie uns die Initiative von Speis von Morgen beweist.

Mit ambitionierten Zielen und Zuversicht

Speis von Morgen setzt auf Nachhaltigkeit. Den ersten Schritt in die richtige Richtung zu machen, erfordert jedoch oft auch Mut, Ausdauer und Tatendrang. Genau das haben acht Menschen bewiesen, als sie sich vor ziemlich genau einem Jahr bei Schneefall im Waltherpark zu einem ersten gemeinsamen Treffen zusammenfanden. Initiator der ganzen Sache ist Vinzenz Mell, der per Video-Botschaft den Aufruf zur Gründung eines gemeinschaftlichen Supermarktes im Herzen von Innsbruck verbreitete.

Foto: Erik Winter

Noch in den Kinderschuhen steckend, will das Team hoch hinaus. Sie verfolgen eine Vision von transparentem und nachhaltigem Handel, das geht vor allem nicht allein. In diesem Sinne lautet ihr Motto: „Was eine:r alleine nicht schafft, das schaffen viele!“ Es klingt vielversprechend und zukunftsweisend. „Wir hatten von Anfang an ambitionierte Ziele“, erzählt Daniel Sperl, Stellvertretender Vorsitzender von Speis von Morgen. Mit großem gemeinsamen Engagement ist es ihnen kurz vor Weihnachten gelungen, das nötige Startkapital von 75.000 Euro zusammenzutragen. Mit der Von Morgen Genossenschaft betreten sie in Innsbruck Neuland im Bereich des Lebensmittel-Einzelhandels. Doch einschüchtern lässt sich das Team dadurch keineswegs – vielmehr sind sie davon überzeugt, dass durch die Mithilfe der mittlerweile 150 Mitglieder das nötige Knowhow zusammenkommt, um immer wieder neue Ideen auf die Beine stellen zu können.

Unser Kaufverhalten überdenken

Neben Nachhaltigkeit ist auch Transparenz ein weiterer wichtiger Punkt für Speis von Morgen. Dabei steht auch der Umweltgedanke im Vordergrund – so gut es geht Verpackungsmaterial zu vermeiden und auch die Lieferwege so kurz wie möglich zu halten. Dafür braucht es Produzent:innen, die die gleichen Wertvorstellungen haben und die Anforderungen einer ökologischen Landwirtschaft – dazu gehört zum Beispiel der Verzicht auf chemischen Dünger und Pestiziden – erfüllen können. Auch das Interesse an der Förderung von Regionalität und dem Erhalt kleinbäuerlicher Strukturen steht im Vordergrund. Ziel ist es, immer mehr Produkte direkt von der Quelle zu beziehen. Mit der Zeit finden immer wieder Produzent:innen selbst ihren Weg zur Speis von Morgen. „Man merkt gerade bei kleinen Betrieben, dass sie nach Alternativen zur klassischen Vermarktung im Handel suchen“, betont Daniel. Viele der Mitgründer von Speis von Morgen beschäftigen sich bereits seit Jahren damit, ihre täglichen Lebensmittel aus kleinstrukturierter, ökologischer Landwirtschaft aus der Region zu beziehen. Dadurch bestanden bereits von Anfang an gute persönliche Kontakte zu einzelnen Betrieben. Die Suche nach weiteren Anbietern war damit aber nicht abgeschlossen, darüber hinaus haben sie sich gezielt nach weiteren biologisch zertifizierten Betrieben im Großraum Innsbruck umgesehen und sind auch fündig geworden.

Foto: Erik Winter

Die sorgfältig ausgesuchten Produkte bieten sie mehrmals die Woche in der alten Trafik am Mariahilfplatz an, wo Laufkundschaft dazu eingeladen wird, einen Blick ins Schaufenster zu werfen, das mit vielfältigen Produkten bestückt ist.  Zwischen Karotten, Kohlköpfen, Speck vom Bauernhof und Naturjoghurt findet man auch Zitrusfrüchte. Die wachsen natürlich nicht in der Innsbrucker Umgebung, aber durch Kontakt mit einem sizilianischen Händler gelingt es auch ab und zu, saftige Orangen anzubieten. Ich schaue bei ihnen vorbei und merke gleich, dass sie mit sehr viel Freude bei der Sache sind. Die Leute bleiben gerne stehen, sind interessiert, wenn Vinz genaue Auskunft über die Herkunft und Auswahl der Produkte geben kann. Ganz fixe Preise haben sie momentan nicht, erklärt mir Erik, der das Projekt als Fotograf unterstützt und auch die Website gestaltet hat.  Er und Christina sind zwei motivierte junge Mitglieder, die heute helfen, die Passanten über Speis von Morgen zu informieren.

Pläne und Herausforderungen

„Als Gründungsgruppe sind wir nach wie vor ein relativ kleines Team und können daher immer nur Schritt für Schritt vorwärts planen. Mit dieser Strategie sind wir jedoch bisher schon sehr weit gekommen“, lautet Daniel Sperls Antwort auf die Frage, was in nächster Zeit auf die Genossenschaft zukommen wird. Die kommenden Monate werden ganz im Zeichen des Umbaus und der Einrichtung des Ladenlokals beim Metropolkino in der Innstraße stehen.

Das interessante am Markt ist vor allem das Konzept, den Mitgliedern 24 Stunden Zugang zu ermöglichen – rund um die Uhr also. Wenn etwas fürs Weihnachtsessen fehlt, kann es kurzerhand geholt werden, wie es Vinzenz in einem Video auf ihrer Instagram-Seite selbst demonstriert. Die Sorge über die üblichen Ladenschlusszeiten fällt weg, alles bequem und einfach.

Da es sich um einen genossenschaftlichen Laden handelt, wird er anfänglich nur für Mitglieder zugänglich sein, trotzdem will sich Speis von Morgen als ein offener Ort im Zentrum von Innsbruck positionieren und auch neuen Menschen als Inspiration dienen, ihr Einkaufsverhalten zukunftsfit zu gestalten.

Wenn die Initiative dein Interesse geweckt hat, dann schau gern online auf ihrer Website www.speisvonmorgen.at vorbei.

 

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