Für- und Widerspruch: Wer trägt die Verantwortung beim Konsum?

von Annalena Haller
Lesezeit: 3 min
Die Klimakrise spaltet die Gemüter. Niemand fühlt sich verantwortlich und die Schuld schieben sich alle gegenseitig zu – dabei sollte doch eigentlich am selben Strang gezogen werden.

Die Macht liegt bei dem Volk

von Annalena Haller

Ignoranz ist out. Wer sich heutzutage nicht um die Umwelt sorgt, tanzt aus der Reihe. Wie Hollywood-Schauspielerin Emma Watson schon sagte: “As consumers, we have so much power to change the world just by being careful in what we buy.” Mag plausibel klingen, ist für viele jedoch schwer umsetzbar. Vor allem wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass ein Wocheneinkauf aus Bioprodukten das halbe Monatsgehalt fordert.

Dies ist aber keine Ausrede. Es gibt genug Baustellen, an denen man als Normalsterblicher ganz leicht anknüpfen kann. Denn wenn man sich für eine Jacke aus dem Vintage-Store entscheidet, die anhand ihrer Abnutzung eine Wertsteigerung von 200 Prozent erfahren hat, sieht man nicht nur gut dabei aus, sondern lässt jeden Großkonzernbesitzer vor Neid erblassen.

Direkt ausführen lässt sich das neu gewonnene Schmuckstück mit einer Fahrt in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Es ist förmlich unsere Bürgerpflicht, noch umweltbewusster zu reisen und uns nicht auf den Scheiterhaufen der Umweltsünden auszuruhen. Ungelogen, es hat auch seinen Charme, sich in stickigen, überfüllten Zügen stundenlang abzuquälen, vorausgesetzt man kann die CEOs, die weiterhin fröhlich in ihren edlen Privatjets über die Wolken schweben und die Sektgläser klirren lassen, ausblenden.

Solange die Reichen mit Leichtigkeit über dem Thema Nachhaltigkeit stehen können, liegt Verantwortung eben bei den Kleinen. Und wenn die sich für den Beitrag zum Umweltschutz auch noch auf die Schulter klopfen dürfen, dann mag das wohl das i-Tüpfelchen auf dem selbstlosen Verzicht sein.

 

Wir haben die Wahl

von Laura Klemm

Auf der Suche nach den Verantwortlichen der größten Ungerechtigkeit unserer Zeit, der Klimakatastrophe, wird mit Vorliebe der gemeine Mensch zum Sündenbock gemacht. Politik und Industrie zeigen gern mal anklagend auf das Individuum – statt ihren Versprechen nachzukommen. Zufrieden richten die Mächtigen unserer Zeit also Appelle an eh schon sensibilisierte, urbane, linksgrüne Mittelschichtsveganer und düngen damit fleißig den Nährboden, auf dem sich individualistische Freiheitskämpfer und moralisch Überlegene gegenseitig den Tag versauen. Klimafreundliche Produkte sind nur ein weiterer Konsumbereich. Radfahrer die wahren Klimakiller. Denn die gleichen ihr Kaloriendefizit womöglich mit Fleisch aus Massentierhaltung aus.

Dabei sind Politiker als gewählte Vertreter dazu verpflichtet, Signale aus der Bevölkerung zu sehen und politische Anstrengungen zu unternehmen. Das ist nicht einmal schwer – denn der Mensch ist von Natur aus gierig und „tendenziell faul”, sagt zum Beispiel Klimasoziologe Tobias Rüttenauer. Es braucht finanzielle Anreize statt Appelle, praktische Alternativen statt Verbote (wobei diese ein guter Anfang wären). Aus Angst vor dem Beinamen „Ökodiktatur” machen Kanzler Karl und Olaf aber lieber – man ahnt es bereits – gar nichts. 

Sowieso ist der Begriff „Individuum” im Klimakontext ein Witz. Die ökologischen Fußabdrücke von verschwenderischen Superreichen (erst kürzlich gießt auf Instagram Theo, 18, seine Blumen mit Champagner) und am Existenzminimum lebenden Niedrigkonsumenten lassen sich nun einmal nicht vergleichen. Es bringt also nichts, wenn wir uns mit dem Waschlappen säubern, statt unter die Dusche zu hüpfen, wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried vorschlägt. Wir Kleinen können kaum etwas verändern – deswegen haben wir ja gewählt.

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