Träumerische Flugstunden

von Laura Kogler
Schlagwörter: Lesezeit: 5 min
Erwartungen, egal ob sie an sich selbst gerichtet sind oder von jemandem anderen kommen, können zu einer lähmenden und erdrückenden Last werden. Eine träumerische Auseinandersetzung.

Dem entgegengesetzt ist die Hoffnung, die einen trägt und motiviert. So geht es einem auch oft in einem der kulturwissenschaftlichen Nischenfächer in Innsbruck. Die Hoffnung die Welt zu verändern und einen grandiosen Job zu bekommen ist groß, die Erwartung in Innsbruck und Umgebung dafür meist aber eher klein. Doch wovon wird diese Hoffnung gefüttert? Geben wir der Hoffnung einmal einen Perspektivenwechsel und verwenden statt hoffen träumen. Im Traum scheint beinahe alles möglich zu sein, also lassen wir für ein paar Minuten unsere Träume und Hoffnungen schweifen, um unsere Motivationsbatterien für die richtige Welt wieder aufzuladen.

Von Monstern und Blumen

Auch in diesem Traum gibt es nicht nur Blumenwiesen und Idylle, sondern auch Momente des Alptraums. Diesen Alptraum durchleben gerade jetzt viele, vor allem Studierende kulturwissenschaftlicher Nischenfächer. Die Kulturwelt ist eingefroren und gleicht in Tirol, einer Eiswüste, die nur noch magere Pflänzchen wachsen lässt. Der Alptraum hier ist nicht die Kälte und Einsamkeit, sondern die Angst nicht genügend Praxis für die kulturell-ästhetische Jobwelt zu bekommen, beziehungsweise überhaupt je eine Stelle als Berufseinsteiger oder Berufseinsteigerin zu finden. Mit Corona sind gefühlt auch noch die letzten Sonnenstrahlen aus der Welt verdrängt worden und das Monster Zeit lauert noch gieriger über dem Studium, der Freizeit und anderen Dingen, die uns wichtig sind.

Doch trotz all diesen dunklen Erwartungen, schaffen es robuste Pflänzchen der Hoffnung beharrlich zu wachsen und zu gedeihen. Hier sind es die Hoffnung auf neue Chancen und Möglichkeiten, die erst durch den globalen Rahmen der Pandemie sichtbar wurden. Die rosa Blume in dieser Szenerie ist die Zeit, die durch Jobverlust und eingeschränkte soziale Kontakte in das Studium investiert werden kann. Auf einmal ist das Studium zu einer saftigen Wiese erblüht, mit einem unerschöpflichen Teich an Perspektiven, Sichtweisen und Möglichkeiten, auch in Innsbruck. Im Alptraum schafft es die Sonne langsam wieder durch die Wolken zu brechen. Sie ist gestärkt durch die vielen neuen Themen und Ideen, die während dem Semester behandelt und erforscht wurden.

Augen zu und durch

Angespornt durch das Licht, kann im Traum schon Mal ein Flugversuch gestartet werden. Die Lichtquelle ist eine Stellenausschreibung der Tiroler Landesmuseen, von der nicht einmal zu träumen gewagt wurde. So geht es nun an den Bau einer flugtüchtigen Bewerbung. Der Körper des Flugobjektes ist zusammengesetzt aus: Matura, einem Bachelor in Literaturwissenschaft, einem laufenden Masterstudium und Arbeitserfahrungen als Kellnerin. Zusammengehalten wird das ganze durch den Kleber der Soft Skills: Teamfähigkeit, Loyalität und Weltoffenheit – jetzt kann man nur mehr hoffen, dass das Flugobjekt nach dem Start auch einen Platz auf der hoffnungslos überfüllten Landebahn namens befristete Teilzeitstelle findet.

Bang-Crash-Boom. Eine harte Landung zurück in der Eiswüste. Das Feld ist zu überfüllt und die erfahreneren Fliegenden werden bevorzugt. Trotzdem, die Hoffnung ist nicht verpufft. Immerhin, der Tunnel ist sichtbar geworden und die Teile des Fliegers sind, ganz im Zeitgeist, auch wiederverwendbar und verpackungsfrei. Die TLM und ähnlich hoffnungsvolle Institutionen in Innsbruck werden wieder neue Stellen ausschreiben und Nachwuchs suchen.

Lass los und du wirst fliegen

Foto: UNIpress

Ein weiterer Sonnenstrahl scheint über der Eiswüste auf. Eine neue Stellenausschreibung. Hier bekommt das Flugobjekt jedoch leider keine Starterlaubnis, denn als Voraussetzung wird eine andere Ausbildung des Fliegenden gefordert. Zack. Hier ist der wahrscheinlich so lange erwartete Hitzeanstieg, um die Eisdecke zu durchbrechen: Im Moment, so aussichtslos die Situation auch scheinen mag, ist es an der Zeit die Schwerelosigkeit des Traums zu testen und zu fliegen. Begleitet werde ich im Traum von einem schwebenden Vaclav Havel, der schreit: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“ Die Hoffnung und Befreiung von der ständigen Sinnhaftigkeit schafft es, einen im Traum fliegen zu lassen und wird für eine Jobaussicht im kulturellen Bereich Innsbrucks auch dringend benötigt.

Das Aufwachen

Nun gilt es zu entscheiden, war es ein Alptraum oder doch nicht? Wache ich mit dem Gefühl auf in Richtung Utopie, einen Platz im begrenzten Berufspool Tirols, zu lenken oder werde ich am Ende doch im eisigen Höllenfeuer der dystopischen Zukunft landen? Diese Entscheidung bleibt jedem und jeder selbst überlassen. Wir alle können unseren Teil zu einer gemeinsamen und funktionierenden Gesellschaft beitragen, die vielleicht sogar weltweit funktionieren könnte, indem wir zu unseren Hoffnungen stehen. Immer noch beflügelt von der Freiheit und Hoffnung des Traumes ist es einfacher die Niederlagen im Alltag zu bewältigen oder diese gar nicht erst als solche zu sehen. Oft brauchen wir einfach mehr Mut und Hoffnung, um zu sagen, dass das Studium der Nischenfächer zwar nicht der schnelle Weg ist, aber dafür einer, der aus Überzeugung und Hoffnung für Veränderung beschritten wird. So ist der Hunger auf Kunst und Kultur in Innsbruck nach Corona hoffentlich groß genug, dass auch die weite Bevölkerung Kultur(-wissenschaft) als relevant und unverzichtbar ansieht. Wir hoffen alle auf eine sichere Zukunft, egal ob es dabei um egoistische Kleinigkeiten wie den perfekten Job geht oder um das Große und Ganze, wie den Klimawandel und eine Gesellschaft, die global aufeinander Acht gibt. Lasst uns losfliegen, hoffnungsvoll unseren Träumen entgegen, um der Sonne so nahe wie möglich zu kommen, ohne dass unsere Flügel schmelzen.

Schreibe einen Kommentar

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmst du der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website zu.

Artikel aus der selben Rubrik