Das Ende des Nazi-Regimes in Tirol

von Jonas Krabichler
Lesezeit: 6 min
Im Jahre 2025 jährt sich der Zusammenbruch des Nationalsozialismus und damit das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 80. Mal. Dieses Ereignis ist in vielen Gebieten des deutschsprachigen Raumes durch das Gefühl einer Niederlage geprägt. In Tirol hingegen wurde eine einzigartige Geschichte geschrieben, denn der Widerstand schaffte es schon vor dem Eintreffen der Alliierten die Landeshauptstadt Innsbruck zu befreien.

Wir schreiben den 30. April 1945. Franz Hofer, seines Zeichens nationalsozialistischer Gauleiter Tirol-Vorarlbergs, hält eine verzweifelte Rundfunkansprache an die lokale Bevölkerung, in der er vergebens versucht, deren Willen zu stärken. Er erinnert an das Ende des Ersten Weltkrieges 1918 und an die darauffolgenden schweren Jahre. Sollten es die Tiroler und Tirolerinnen schaffen, die Alliierten aus dem Land fernzuhalten, erhoffte er sich bessere Friedensbedingungen. Hofer war ein enthusiastischer Nazi, aber auch Realist. Er erkannte, dass das Ende des Regimes nicht weit entfernt war und seine Ansprachen keinen großen Effekt mehr haben werden.

Zwei Tage zuvor drangen amerikanische Einheiten durch das Außerfern in Tirol ein und französische Soldaten kämpften sich in der Arlbergregion voran – der Einmarsch war nur eine Frage der Zeit. Gauleiter Hofer erhoffte sich, dass Tirol nach Schweizer Vorbild eine „Alpenfestung“ werden könnte. Seit 1944 plante er das Verteidigungskonzept, Hitler erlaubte die Umsetzung jedoch erst kurz vor seinem Tod in der letzten Aprilwoche 1945. Dies war jedoch viel zu spät. Noch relevanter war jedoch, dass die Amerikaner schon lange zuvor von diesem Vorhaben und anderen Verteidigungsprojekten wussten.

Die Operation Greenup

Drei Agenten, die beiden in die USA geflohenen Juden Fred Mayer und Hans Wijnberg sowie der Tiroler Deserteur Franz Weber funkten im Rahmen der amerikanischen „Operation Greenup“ geheime Informationen über Verteidigungspläne und Angriffsziele an die US-Armee. Ebenfalls vernetzten sie lokale Widerstandsgruppen. Die drei Agenten wurden zuvor im Februar 1945 per Fallschirm über dem kleinen Dorf Oberperfuss, das sich nahe Innsbruck befindet, abgesetzt und konnten ein effektives Kommunikationsnetzwerk aufbauen. Dieses Netzwerk wurde jedoch auch selbst bespitzelt und so wurden Mitte April 1945 einige Helfer des Widerstandes verhaftet und im Innsbrucker Gestapo-Lager gefoltert. Dennoch erwiesen sich die Informationen als maßgeblich für die Befreiung Tirols.

Am 1. Mai 1945 drangen amerikanische Soldaten am Fernpass vor. Gleichzeitig wurde eine Offensive an der Scharnitzer Klause, welche etwa 17 Kilometer Luftlinie von Innsbruck entfernt liegt, gestartet. Das Vordringen der Alliierten nahmen die Widerstandskämpfer unter Leitung von Karl Gruber, späterer Landeshauptmann von Tirol und Außenminister Österreichs, als Zeichen. Am Abend des 2. Mai besetzten sie Innsbrucker Kasernen und verhafteten mehrere SS-Offiziere beim Abendessen auf der Innsbrucker Hungerburg. Einige der eroberten Stellungen wurden in der Nacht jedoch wieder aufgegeben, da eine Falschmeldung einging, dass sich 1.500 Einheiten der SS von Osten nähern.

Am nächsten Tag, dem 3. Mai 1945, setzten die Widerstandskämpfer die Befreiung fort. Am Mittag konnten sie die Polizeidirektion einnehmen sowie einen Funkmast in Aldrans, einem Dorf oberhalb von Innsbruck. Von dort aus sendeten sie eine wichtige Radiobotschaft, in der sie zur Ruhe aufriefen. Außerdem verkündeten sie, dass der Widerstand die Regierungsgeschäfte in Tirol übernommen hat. Diese Nachricht war wichtig, da die Landeshauptstadt im Chaos versunken war. Das Straßenbild war geprägt von herumschwirrenden deutschen Soldaten und den Widerstandskämpfern, die sich durch rot-weiße Armbinden zu erkennen gaben. Der Widerstand teilte wahllos Waffen aus, um auch zahlenmäßig überlegen zu sein. Vielerorts ergaben sich die deutschen Besatzer, in manchen Fällen gab es jedoch Gefechte. So wie in der zentral gelegenen Maria-Theresien-Straße. Dort wurde der Widerstandskämpfer Franz Mair von Mitgliedern der Waffen-SS erschossen. Kurz vor 20 Uhr erreichte die US-Armee schließlich Innsbruck. Den Amerikanern wurde ein Bild der Befreiung offenbart, in der Bevölkerung herrschte Furore, es wurden hunderte Flaggen gehisst und die eintreffenden Einheiten mit Blumensträußen begrüßt. Karl Gruber übergab dem amerikanischen Major Shelden D. Elliott die nun freie Stadt Innsbruck.

Die außergewöhnliche Schlacht um Schloss Itter

Während die Kampfhandlungen in Innsbruck schon am 3. Mai endeten, wurden manche Teile des Landes erst später befreit. Besonders die Befreiung des Schloss Itters nahe Kitzbühel ist bemerkenswert, da sie neben der Operation Cowboy im heutigen Tschechien die einzige Schlacht war, in der Deutsche und Amerikaner an einer Seite kämpften. Die Festung wurde ab 1943 als Außenlager des KZ Dachau verwendet, hauptsächlich wurden prominente französische Gefangene festgehalten. Gegen Kriegsende wurde das Schloss von der SS aufgegeben. Doch war die Angst unter den Insassen groß, dass sie bei einem Fluchtversuch dennoch erschossen werden würden. Trotzdem verließ der jugoslawische Gefangene Zvonimir Čučković die Festung Richtung Inntal, um von dort aus alliierte Hilfe anzufordern. In Innsbruck traf er schließlich amerikanische Einheiten, die jetzt Richtung Itter vorrückten, jedoch auf dem Weg in Gefechte verwickelt wurden. Diese Informationen waren den Insassen, die im Schloss verblieben, jedoch verwehrt. Somit radelte ein tschechischer Gefangener ebenfalls Richtung Inntal. Dort traf er auf Josef Gangl, einen Wehrmachtsmajor, der sich dem Widerstand angeschlossen hatte. Dieser war offen für die Befreiungsaktion, wollte seine Soldaten jedoch nicht in den sicheren Tod schicken. So wartete er auf eintreffende Amerikaner und bat sie unter weißer Flagge um Unterstützung für die Befreiungsaktion des Schloss Itters. Diese nahmen das Angebot an.

Das Schloss wurde von den neuen Verbündeten erfolgreich erreicht, jedoch folgte wenig später ein Angriff der Waffen-SS. Die Kampfhandlungen verliefen zu Ungunsten der Verteidiger, jedoch konnten sie telefonisch Unterstützung aus dem Inntal anfordern, bevor die Leitung zusammenbrach. Der Angriff wurde durch das Eintreffen weiterer alliierter Einheiten beendet. Die SS ergriff die Flucht, als ein erster Sherman-Panzer am Schlachtfeld anrollte. In den folgenden Tagen rückten die Alliierten in ganz Tirol voran und befreiten das gesamte Land. Die letzten deutschen Einheiten in Tirol kapitulierten am 6. Mai, am 8. Mai endete der Krieg in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches. Während in vielen Gebieten Österreichs massive Kämpfe gegen die eintreffenden Befreier geführt wurden, blieb Tirol von solchen größtenteils verschont. In Osttirol fanden keine Kämpfe statt. Auch die Befreiung Innsbrucks durch den Widerstand ist beachtenswert.

Foto: Sammlung Risch-Lau, Vorarlberger Landesbibliothek (1971 – 1978), CC 4.0

Die Helden nach dem Krieg

Fred Mayer wurde in Amerika nach Kriegsende mit einem „Purple Heart“ ausgezeichnet. 2010 bekam er schließlich auch in Tirol eine Auszeichnung – den „Adler-Orden“. Franz Weber schwieg lange über seine Heldentaten. Erst im Laufe der Waldheim-Affäre, wo die nationalsozialistische Vergangenheit des damaligen Bundespräsidenten an die Öffentlichkeit gelangte, gab er ein Interview zu seiner Rolle am Kriegsende. Hans Wijnberg schwieg ebenfalls über seine Taten im Rahmen der Operation Greenup und verließ nach Kriegsende die US-Army. Er studierte Chemie und verbrachte seine restliche Karriere als Universitätsprofessor.

Ohne den tapferen Taten dieser Männer wäre die Befreiung Innsbrucks nicht mit so wenig Blutvergießen möglich gewesen. Vielen Menschen sind die Heldentaten, die zur Befreiung Tirols beitrugen, bis heute unbekannt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich daran erinnert wird und die Helden des Kriegsendes nicht in Vergessenheit geraten.

 

1 Kommentar

Ulrich 12. Mai 2025 - 8:20

Guter Artikel! Interessant ist aber auch die Frage, warum wir nun schon so lange Frieden haben? Psychologisch gesehen ist auch die gewaltfreie Erziehung relevant, meint der Wiener Friedensforscher Franz Jedlicka.

LG Ulrich

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