„Es braucht uns für eine linke ÖH” – KSV-LiLi-Spitzenkandidatin Lina Brantsch im Interview

von Katharina Isser
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Bei den ÖH-Wahlen von 13. bis 15. Mai schickt der KSV-LiLi Lina Brantsch als Listenerste ins Rennen. Im Interview hat uns Lina unter anderem verraten, wie der KSV-LiLi zum Real-Sozialismus steht, was die ÖH in der letzten Funktionsperiode erreicht hat und wieso große ÖH-Partys nicht ihre Priorität sind.

Von 13. bis 15. Mai finden die ÖH-Wahlen statt. Du kannst dabei auf drei Ebenen deine Stimme nutzen: für deinen Studiengang wählst du die Studienvertretung (StV), für deine Universität die Universitätsvertretung (UV) und österreichweit die Bundesvertretung (BV). Wahlberechtigt sind alle Studierenden, die ihren ÖH-Beitrag fürs Sommersemester 2025 bis spätestens 25. März eingezahlt haben. In der UNIpress-Wahlausgabe findest du eine Übersicht über die Kandidat:innen für die STVen (sortiert nach Studiengang) sowie eine Vorstellung der Spitzenkandidat:innen und Listen für die UV an der Uni Innsbruck.

Um dir eine weitere Orientierung bei deiner Wahlentscheidung zu geben, haben wir außerdem die Innsbrucker Spitzenkandidat:innen zum ausführlichen Interview getroffen (nur vom RFS erhielten wir keine Rückmeldung auf unsere Anfragen). Am Wahlzettel stehen diesmal (sortiert nach ihren Stimmen bei der letzten ÖH-Wahl):

Seit der letzten Wahl 2023 bildet eine „linke Koalition“ aus GRAS, VSStÖ und KSV-LiLi die ÖH-Exekutive in Innsbruck. AG und JUNOS, die in der Vergangenheit eine Koalition gebildet hatten, sind in der Opposition. Der RFS konnte 2023 kein Mandat in der Universitätsvertretung erreichen und wagt jetzt einen erneuten Anlauf.

 

Interview mit Lina Brantsch (KSV-LiLi)

Listenerste des KSV-LiLi ist Lina Brantsch (Mitte im Bild). Die Studentin der Philosophie und Erziehungswissenschaft ist als 2. Stv. Vorsitzende aktuell auch Teil des Vorsitzteams der ÖH-Innsbruck. Wir haben sie zum Interview getroffen.

UNIpress: Lina, der KSV-LiLi spricht immer wieder vom „schönen Leben“. Im geschichtlich real existierenden Kommunismus kann davon aber keine Rede sein. Aufgrund der Not, Unterdrückung, des Terrors und des ideologisch motivierten Massenmordens in der Sowjetunion ist für viele Menschen das Wort „Kommunismus“ ein absolutes No-Go. Wieso schreibt man sich das stolz auf die Fahne?

Lina Brantsch: Die Diskussion ist absolut berechtigt, und es ist total wichtig, sich mit dem Realsozialismus auseinanderzusetzen. Das haben wir gemacht und uns auch darüber unterhalten, ob man das „K“ für den Kommunismus braucht in unserem Namen. Wir würden schon sagen, dass man das braucht, weil „Kommunismus“ für uns der Name für die befreite Gesellschaft ist. Wir lehnen aber eindeutig jede Form von Real-Sozialismus, der  existiert hat, ab und sind auch explizit  anti-autoritär – wir wollen eben keinen autoritären Kommunismus. Aber es ist absolut wichtig, sich kritisch damit auseinanderzusetzen und sich zu distanzieren.

Ihr nennt euch selber „linksradikal“. „Radikal“ klingt für viele wohl aber auch nicht gerade nach einer sanften, offenen, demokratischen Einstellung.

„Radikal“ bedeutet für uns, dass wir radikal gesellschaftliche Ungleichheiten anprangern und auch verändern wollen. Und das ist für uns einfach nicht umsetzbar unter den gegebenen Verhältnissen, weil diese Ungleichheit, Armut et cetera produzieren.

Du hast gesagt, ihr distanziert euch von jedem realsozialistischen Regime, das es je gegeben hat. Warum hält man denn dann überhaupt noch am Sozialismus oder Kommunismus fest, wenn man sagt: Das hat in echt eigentlich nie so funktioniert, wie wir uns das vorstellen?

Das hat ja auch noch nie so existiert. Sozialismus ist ja nur eine Übergangsform zum Kommunismus. Der Kommunismus ist sozusagen die befreite Gesellschaft, und der Weg dahin wurde von realsozialistischen Regimen aus unserer Sicht falsch gestaltet. Kommunismus ist, wie gesagt, nicht das, was Realsozialismus ist, der wirklich nicht kommunistisch war.

Es gibt ja in Österreich noch eine andere kommunistische Studierendenliste, den KSV-KJÖ. Der steht für die Universitätsvertretung in Innsbruck nicht auf dem Wahlzettel – hier habt offensichtlich ihr euch durchgesetzt –, aber man kann sich schon wundern: Kommunistische Bewegungen haben immer so einen universalistischen Anspruch, für alle da zu sein, alle mitnehmen zu wollen. Und dann schaffen es die kommunistischen Bewegungen offenbar nicht einmal, sich miteinander zusammenzuschließen oder gemeinsame Sachen zu machen.

Ich denke prinzipiell, dass es auch gut ist, dass man sich nicht auf Teufel komm raus miteinander einigt, nur weil man eine ähnliche Zielvorstellung hat. Gerade die Distanzierung vom Realsozialismus unterscheidet uns sehr stark und auch die Frage danach, ob man sein Ziel autoritär oder anti-autoritär erreichen möchte.

Der KSV-KJÖ ist autoritär, deiner Meinung nach?

Das müssten sie für sich selbst erklären. Aber ihre Herangehensweise ist nicht damit vereinbar, wie wir uns das vorstellen und wie wir Politik machen möchten. Dazu kommt, dass wir bezüglich der ÖH insgesamt eine andere Vorstellung davon haben, was wir verändern möchten. Auch, dass wir jetzt in der Exekutive waren – im Bund, in Wien und in Innsbruck. Das ist für den KSV-KJÖ keine Option.

Manchmal hat man als Beobachterin das Gefühl, Streitigkeiten und Absplitterungen sind ein speziell linkes Phänomen. Da gibt es zum Beispiel so einen überspitzten Witz: Gehen zwei Linke in eine Bar – bilden sich drei Splitterparteien. Wie siehst du das?

[lacht] Dem würde ich schon zustimmen, dass das vor allem ein linkes Problem ist. Wie gesagt, ich empfinde das eigentlich schon auch ein bisschen als Stärke. Das zeigt ja auch, dass man die Dinge differenziert betrachtet und Konsequenzen ziehen kann. Dass man nicht, wie es die Rechten sozusagen „besser“ können, um jeden Preis miteinander Zielvorstellungen durchsetzt, auch wenn es große Differenzen in der politischen Ausrichtung gibt. Das ist bei der Linken anders, und das finde ich an sich nicht schlecht. Obwohl natürlich klar ist, dass es auch teilweise komplett übertrieben ist [lacht] und man schon oft Möglichkeiten hätte, zusammen Projekte zu machen und sich auf Sachen zu einigen.

Apropos Zusammenarbeit: Wie hat denn aus deiner Sicht die Zusammenarbeit mit GRAS und VSStÖ in der ÖH-Exekutive in den letzten zwei Jahren funktioniert?

Ich würde sagen, es hat gut funktioniert. Wir haben natürlich schon alle ein bisschen andere Vorstellungen, verschiedene Ideen, verschiedene Schwerpunkte. Ich würde aber sagen, wir haben immer gut miteinander geredet, haben uns gut auf Sachen geeinigt.

Dreierkoalitionen sind generell nicht für ihre Effizienz bekannt. Wie hast du das wahrgenommen? Haben Dinge länger gebraucht, weil mehr Fraktionen involviert waren? 

Ich weiß nicht, ob man das daran festmachen kann, dass es mehrere Fraktionen sind. Abläufe sind natürlich insgesamt nicht so, dass etwas von heute auf morgen umgesetzt wird. Und man hat natürlich einen Prozess, der Diskussionen erfordert. Ich würde schon sagen, dass wir Sachen gut umgesetzt haben und dass die Arbeit zu dritt gut funktioniert hat.

Was habt ihr konkret erreicht? Einerseits die Koalition als Ganzes, andererseits der KSV-LiLi als Teil dieser größeren Koalition?

Es ist  toll, dass wir geschafft haben, dass es auf ausgewählten Toilettenstandorten jetzt gratis Menstruationsartikel geben wird. Auch für die nächste Funktionsperiode wollen wir, dass das noch ausgeweitet wird, damit es einen inklusiveren Zugang zu Menstruationsprodukten gibt. Wobei das schon wirklich super ist, dass wir das geschafft haben, weil es echt lange gedauert hat und sehr anstrengend war.

Der KSV-LiLi hatte da auch eine Person im Referat für Frauen, Gleichbehandlung und Queer, die da maßgeblich dazu beigetragen hat. Aber es war auf jeden Fall ein gemeinsames Projekt.

Was wir als Fraktion viel gemacht haben: Durch uns ist die politische Handschrift der ÖH ein bisschen besser hervorgekommen. Dafür braucht es uns auf jeden Fall in der nächsten Funktionsperiode, dass man – wenn man sagt, man ist eine linke ÖH – sich auch wirklich daran hält. Dafür sind wir maßgeblich verantwortlich.

Vor allem durch uns wurden auch viele Veranstaltungen gefördert, von denen wir denken, dass es wichtig ist, dass es sie gibt. Zum Beispiel wurden verschiedene Kulturveranstaltungen gefördert, die Studierenden zugutekommen, die aber auch insgesamt für die Stadt total wichtig sind.

Thema Veranstaltungen: Die AG hat kritisiert, dass unter der linken ÖH-Exekutive Angebote und Veranstaltungen weggefallen seien. Beispielsweise, dass das Sportangebot nicht ausreichend weitergeführt oder ausgebaut wurde. Und dass das Semester-Opening nicht mehr von der ÖH Innsbruck unterstützt wird, wodurch die Tickets an der LFU teurer geworden seien.

Bezüglich Sportangebote: Es gibt das Fußballtraining und das Kampfsporttraining. An der USI gibt es allgemein auch Sportangebote – da müsste man nicht nochmal das Gleiche anbieten. Unsere Idee als ÖH wäre gewesen, das Trans-Schwimmen umzusetzen – das wäre etwas, was es so noch nicht gibt. Das gestaltet sich allerdings in der Umsetzung schwierig. Aber wir wollen das auch in der kommenden Funktionsperiode gerne weiterverfolgen.

Die Exekutive hat letztes und dieses Semester schon die SoWi-Party organisiert. Ich muss aber schon sagen, dass das nicht unsere Priorität ist, die wir in der ÖH-Arbeit sehen. Wir sind prinzipiell nicht dagegen, auch solche Partys in dem großen Stil anzubieten. Aber man muss schon auch sehen, dass das viel Geld kostet. Tendenziell wollen wir Leute fördern, die selber was auf die Beine stellen wollen. Prinzipiell sind wir natürlich dafür, zu feiern. Aber es ist nicht unsere Priorität.

Die Art und Weise, wie die Partys früher organisiert wurden, entspricht uns auch nicht. Beispielsweise das Line-Up der DJs. Es ist auch nicht nachhaltig, eine Party nach der anderen zu organisieren. Da gibt es drumherum keine Struktur, dass sich das selber trägt.

Was meinst du mit dieser Struktur?

Dass es auch in anderen Lokalitäten Veranstaltungen gibt. Dass Leute die Möglichkeit haben, niederschwellige Veranstaltungen anzubieten. Beispielsweise auch auf dem Uni-Gelände.

Diese Partys, also das Semester-Opening und so weiter, sind so riesig und so teuer, dass das nur über die ÖH laufen kann. Wir würden eher gerne fördern, dass man selber etwas veranstalten kann.

Also eher kleinere, diverse Veranstaltungen als eine große Uni-Party für alle?

Ja.

Was ist euer Ziel für die Wahl? Wollt ihr wieder in die Exekutive?

Wir sind offen, wieder in die Exekutive zu kommen. Aber nur mit GRAS und/oder VSStÖ, in einer Zweier- oder Dreierkoalition. Uns ist wichtig, dass man gemerkt hat: Das war jetzt ein Anfang nach jahrelanger AG-Exekutive, Strukturen langsam aufzubrechen. Wir glauben, es ist total wichtig, da weiter dran zu bleiben. Das ist auch nicht getan in zwei Jahren, das so zu machen, wie man sich das vorstellt.

AG, JUNOS und RFS schließt ihr also als Koalitionspartner aus?

Ja.

Was sind eure wichtigsten inhaltlichen Forderungen?

Insgesamt sind die großen Forderungen, Studiengebühren abzuschaffen, die Mensa-Situation zu verändern – radikal, kann man da sagen [lacht] – und dass die ÖH sich antifaschistisch engagiert und das strukturell verankert wird. Deswegen würden wir gerne ein Antifa-Referat haben, wie es jetzt auch in der Bundes-ÖH umgesetzt wurde.

Ein Antifaschismus-Referat hat 2023 schon eure damalige Spitzenkandidatin Lola Fürst in einem Interview mit der Zeitlos gefordert und gemeint, wenn der KSV genug Stimmen bekommt, wolle man das in Innsbruck umsetzen. So etwas gibt es z.B. auch schon länger an der Uni Wien – allerdings in einer etwas kuriosen Kombination als Referat für „Antifaschistische Gesellschaftskritik und Sport“. Jedenfalls wart ihr jetzt in Innsbruck in der Exekutive: Wieso habt ihr das nicht schon umgesetzt?

Es braucht eine Satzungsänderung dafür, also eine Zweidrittel-Mehrheit. Die hatten wir in der Koalition nicht. In der Universitätsvertretung mit der AG ist das natürlich nicht umsetzbar.

Was sollte so ein Referat dann tun? 

Sich aktiv für antifaschistische Politik engagieren. Zum Beispiel hat die Bundes-ÖH Gedenk-Reisen organisiert. Außerdem soll es Stellungnahmen schreiben, et cetera. Es soll für die antifaschistische Politik der ÖH verantwortlich sein und diese auch in der Uni aktiv fördern.

Ihr wollt eine freie Namen- und Pronomenwahl auf den Hochschulplattformen (z.B. OLAT) umsetzen. Könnte man sich dann einfach als jemand anderes ausgeben? Oder jede Woche seinen Namen wechseln, bis sich die anderen gar nicht mehr auskennen?

Nein, davon gehen wir nicht aus, dass das passiert. Es ist ein reales Problem für Leute, dass sie sich immer wieder outen müssen. Denen muss einfach die Möglichkeit gegeben werden, niederschwellig ihren Namen und ihre Pronomen zu ändern. Die Stammdaten bleiben prinzipiell auch gleich, solange keine offizielle Namensänderung erfolgt ist. Deswegen kann man sich nicht einfach so als jemand anderes ausgeben. Die Matrikelnummer bleibt gleich. Wir sehen da überhaupt kein Problem.

Was sind da die Hürden?

Vor allem technische Probleme, die von Seiten der Uni angegangen werden müssen.

Ihr habt ja einen großen Fokus auf Antidiskriminierung und Gesellschaftspolitik. Aber im Vergleich zu anderen Fraktionen habt ihr eher wenig zu Themen im Programm, die eine große Zahl Studierender ganz unmittelbar im Alltag betreffen, wie Digitalisierung oder Flexibilisierung des Studiums.

Erst einmal würde ich nicht sagen, dass das nicht viele Studierende unmittelbar betrifft. Diskrimierung findet statt. Auch der Zugang zur Universität ist in dem Sinne diskriminierend, dass es gar nicht alle an die Uni schaffen. Deswegen ist die Zugänglichkeit zum Studium schon mal ein großer Punkt.

Flexibilität ist natürlich wichtig, wobei da aber vor allem die Finanzierung eine große Rolle spielt. Deswegen müssen die Studiengebühren abgeschafft werden und die Studienbeihilfe sollte erhöht werden. Sodass man sich auf sein Studium fokussieren und das in Ruhe machen kann, ohne dass man nebenbei noch arbeiten muss und sich das Studium irgendwie reinquetschen muss, damit man das irgendwie hinbekommt. Das ist nicht unser Ziel oder unsere Vorstellung davon, wie man sich bilden sollte an einer Universität.

Insgesamt sind gesellschaftspolitische Fragen oft auch auf die Universität übertragbar. Es geht um die Grundvorstellung davon, was die Uni sein soll, für wen die Uni sein soll. Wir setzen uns dafür ein, dass sie inklusiv und zugänglich für alle ist.

Danke für das Gespräch!

 

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