„Wir halten an unseren Forderungen fest“ – GRAS-Spitzenkandidat Niklas Krantz im Interview

von Hannah Mayer
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Bei den ÖH-Wahlen vom 13. bis 15. Mai tritt Niklas Krantz als Listen-Zweiter zusammen mit Anna Schramm im Spitzenduo der GRAS an. Im Interview spricht er unter anderem über freien Hochschulzugang, mobile Lehre und warum die GRAS trotz politischer Hürden weiterhin an ihren sozialen und nachhaltigen Forderungen festhält.

Von 13. bis 15. Mai finden die ÖH-Wahlen statt. Du kannst dabei auf drei Ebenen deine Stimme nutzen: für deinen Studiengang wählst du die Studienvertretung (StV), für deine Universität die Universitätsvertretung (UV) und österreichweit die Bundesvertretung (BV). Wahlberechtigt sind alle Studierenden, die ihren ÖH-Beitrag fürs Sommersemester 2025 bis spätestens 25. März eingezahlt haben. In der UNIpress-Wahlausgabe findest du eine Übersicht über die Kandidat:innen für die STVen (sortiert nach Studiengang) sowie eine Vorstellung der Spitzenkandidat:innen und Listen für die UV an der Uni Innsbruck.

Um dir eine weitere Orientierung bei deiner Wahlentscheidung zu geben, haben wir außerdem die Innsbrucker Spitzenkandidat:innen zum ausführlichen Interview getroffen (nur vom RFS erhielten wir keine Rückmeldung auf unsere Anfragen). Am Wahlzettel stehen diesmal (sortiert nach ihren Stimmen bei der letzten ÖH-Wahl):

Seit der letzten Wahl 2023 bildet eine „linke Koalition“ aus GRAS, VSStÖ und KSV-LiLi die ÖH-Exekutive in Innsbruck. AG und JUNOS, die in der Vergangenheit eine Koalition gebildet hatten, sind in der Opposition. Der RFS konnte 2023 kein Mandat in der Universitätsvertretung erreichen und wagt jetzt einen erneuten Anlauf.

 

Interview mit Niklas Krantz (GRAS)

Niklas Krantz studiert Architektur und engagiert sich als Teil des GRAS-Spitzenduos für eine gerechte und nachhaltige Hochschulpolitik. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

UNIpress: Niklas, ihr wart in den letzten zwei Jahren Teil der ÖH-Exekutive. Einige eurer jetzigen Forderungen – wie das Klimaticket, die Öffi-Offensive oder auch Safe Spaces – standen schon damals auf eurer Agenda. Warum konntet ihr diese Punkte bisher nicht umsetzen?

Niklas Krantz: Ich würde sagen, das liegt daran, dass wir mit unterschiedlichen Instanzen sprechen müssen. Bei der Öffi-Offensive ist beispielsweise die Stadt zuständig, während die Uni in anderen Bereichen ihre Rolle spielt. Beim Klimaticket hingegen ist vor allem der Bund gefragt – hier setzt sich jedoch primär die Bundes-GRAS ein. Von der ÖH aus haben wir durchaus Hebel, aber es ist oft schwierig, sich mit den höheren Instanzen auseinanderzusetzen. Trotzdem bleiben wir dran – auch wenn es manchmal Gegenwind gibt.

Das bekannte Semester-Opening wird von verschiedenen Tiroler ÖHs, unter anderem der ÖH MedUni, der ÖH MCI und der ÖH Umit, mit organisiert. An der Uni Innsbruck trägt das aber nicht mehr die ÖH-Exekutive aus GRAS, VSStÖ und KSV-LiLi mit, sondern durch die FV Sowi und Natwi Technik mittlerweile de facto die AG. Wieso?

Das Semester-Opening war lange ein Hauptprojekt der AG. Die Exekutive organisiert jetzt andere Veranstaltungen wie das GEIWI-Fest und die SOWI-Party. Warum das Semester-Opening nicht mehr von der Exekutive unterstützt wird, ist mir nicht bekannt, aber es wäre erfreulich, wenn das in Zukunft wieder möglich wäre.

Warum verzögert sich die Wiedereröffnung der SOWI Mensa und des UBI Chat immer weiter?

Das Problem bei den Mensen ist, dass die bisherigen Träger:innen abgetreten sind. Die Uni plant schrittweise Neueröffnungen, wobei die Technik-Mensa laut Plan zum kommenden Wintersemester starten soll. In der SOWI-Mensa muss einiges renoviert werden, was die Neueröffnung erschwert. Außerdem wollen sich die neuen Träger auch nach ihren Vorstellungen einrichten. Unser letzter Stand ist aber: Die Wiedereröffnung soll fix im Wintersemester erfolgen.

Wenn du auf die letzten zwei Jahre in der Exekutive zurückblickst: Was habt ihr erreicht? 

Ich war in der Exekutive gar nicht so aktiv, aber einige wichtige Dinge wurden umgesetzt, wie die gratis Menstruationsartikel auf allen Toiletten. Das war ein langes Debakel, aber wir haben es schließlich endlich durchbekommen. Zudem haben wir das gratis Stadtrad verlängert und den Mensabon wieder eingeführt. In jeder Mensa gibt es nun mindestens eine vegane Option pro Tag, was vor allem von der GRAS kam. Wir sind außerdem gut mit unserer Bundesfraktion vernetzt, von der unter anderem die gratis HPV-Impfung und eine starke Lobbyarbeit für Studierende in Österreich kamen.

Wie hat aus deiner Sicht die Koalition mit KSV-LiLi und VSStÖ funktioniert? 

Anfangs gab es schon ein relativ großes Maß an Differenzen zwischen den drei Fraktionen – sowohl auf ideologischer Ebene als auch in persönlicher Hinsicht. Man musste sich erst einmal annähern, bevor man wirklich gemeinsam, in Anführungszeichen, „regieren“ konnte.

Ich glaube aber, dass sich das mit der Zeit deutlich verbessert hat. Nach und nach hat man sich besser eingespielt, und letztlich haben viele der Projekte, die gemeinsam umgesetzt wurden, auch wirklich Früchte getragen.

Was ist euer politisches Ziel für diese ÖH-Wahlen? Wollt ihr wieder in die Exekutive? 

Ja. Das liegt uns sehr am Herzen. Wir wollen unsere Politik weiter vorantreiben, wie in den letzten zwei Jahren. Im Wahlprogramm sieht man auch, dass es noch einige Punkte gibt, die aktuell nur teilweise umgesetzt sind – und genau dafür wollen wir weiterhin pushen. Mit wem eine Zusammenarbeit möglich ist, wird sich natürlich erst nach der Wahl zeigen. Aber wir hoffen sehr, dass wir auch weiterhin Teil der Exekutive bleiben können.

Was steckt da gerade halb in der Umsetzung, was ihr weiter verfolgen wollt? 

Momentan stehen unter anderem Campusbegrünungen an, wie die des GEIWI-Hofs, die bereits vom Rektorat genehmigt wurde. Auch an anderen Standorten, etwa an der Technik, sind weitere Begrünungsmaßnahmen in Planung. Darüber hinaus wollen wir den Mensabon erhöhen, was vor allem in der Zuständigkeit des Ministeriums liegt, aber wir stehen im Austausch mit der Bundes-ÖH. Ein weiteres wichtiges Thema sind Projekte zur Klimaneutralität wie Photovoltaikanlagen und nachhaltiger Wasserverbrauch, die derzeit noch in der Planungsphase sind. Außerdem setzen wir uns weiterhin für eine bessere Öffi-Taktung in Zusammenarbeit mit Stadt und Land ein. 

Angenommen, ihr schafft es erneut in die Exekutive: mit wem würdet ihr am liebsten koalieren? 

Das würde ich erstmal relativ offen lassen. Persönlich bin ich ein großer Fan einer linken Exekutive – rein aus ideologischer Sicht. Aber grundsätzlich gibt es bei uns einen breiten Konsens, dass wir uns alle Optionen offenhalten wollen.

Das heißt konkret: Wir möchten im Vorfeld niemandem den Vorzug geben. Im Mittelpunkt steht für uns, dass wir unsere Politik – also die linke und die Klimapolitik – weiter voranbringen. Mit wem das am besten umsetzbar ist, wird sich nach der Wahl herausstellen.

Gibt es eine Fraktion, mit der ihr eine Zusammenarbeit jetzt schon fix ausschließt? 

Im Endeffekt gibt es da eine Fraktion, die man ziemlich sicher ausschließen kann – das ist der RFS. Meines Wissens nach hat er es auch noch nie in die Hochschulvertretung geschafft. Bei den anderen Fraktionen sagen wir im Vorfeld grundsätzlich nicht nein.

Wie steht ihr zum allgemeinpolitischen Mandat der ÖH? Soll sich die ÖH auch allgemeinpolitisch positionieren? 

Das allgemeinpolitische Mandat der ÖH ist für uns einer der wichtigsten Aspekte. Die linke Exekutive hat auch dazu beigetragen, dass sich die ÖH klar positioniert – zum Beispiel durch die Kampagne gegen Rechts oder durch Kundgebungen.

Die ÖH ist mittlerweile auch politisch gut vernetzt – ganz im Gegensatz zur Zeit unter der AG, die solche Vernetzung nicht gefordert hat.

Und die ÖH ist die Vertretung der Studierenden – wie jede andere Vertretung hat auch sie die Aufgabe, die Interessen bundesweit sichtbar zu machen und sich dafür einzusetzen, dass Studierende Zugang zu Wohnraum, Essen und sonstigem haben. Und das in ausreichender Menge und so günstig wie möglich.

Kurz zusammengefasst, was sind eure wichtigsten Forderungen? 

Unsere wichtigsten Forderungen betreffen zum einen das Thema Wohnen. Wir wollen den Ausbau von Studierendenwohnheimen massiv fördern. Außerdem fordern wir eine Mietzinsbeihilfe ab dem ersten Tag – unabhängig von der Staatsbürgerschaft und auch für Studierende, die in Wohnheimen leben.

Ein weiteres zentrales Anliegen sind für uns die Mensen. Wir haben hier bereits viele Fortschritte gemacht, aber insbesondere die Preise müssen weiter gesenkt werden.

Wir sind die GRAS – wir stehen für Klimaneutralität ein. Uns liegt es am Herzen, dass Hochschulen klimaneutral werden und damit auch eine Vorreiterrolle in der Gesellschaft einnehmen. Denn wenn nicht die Hochschulen mit gutem Beispiel vorangehen – wer dann?

In diesem Zusammenhang wollen wir auch mehr öffentliche Räume schaffen, in denen man sich wirklich gerne aufhält: mit mehr Begrünung und mehr Bänken. Das sind für uns die wichtigsten Aspekte.

Ihr sprecht euch gegen Zugangsbeschränkungen an Unis aus – also für einen offenen Hochschulzugang. Wie soll das in der Praxis bei stark nachgefragten Studiengängen wie Medizin oder Psychologie funktionieren, wo es jährlich tausende von Bewerber:innen gibt? 

Ich kann noch eine Parallele ziehen, wenn ich darf. Im Architekturstudium sehen wir derzeit im Bachelor eine sehr hohe Nachfrage – unter anderem, weil es aktuell einen komplett freien Hochschulzugang gibt. Das hat dazu geführt, dass sich die Zahl der Anmeldungen in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt hat. In Zukunft soll deshalb eine niederschwellige Aufnahmeprüfung in Form eines kleinen Bewerbungsschreibens kommen. Das soll aber erst ab einer bestimmten Zahl an Anmeldungen greifen.

Auf der anderen Seite gibt es Studienrichtungen wie Psychologie oder Medizin, die ohnehin sehr groß sind – und gerade hier wäre es dringend notwendig, die Hochschulen weiter auszubauen. Der Bedarf an Psycholog:innen und Mediziner:innen ist enorm. Ich sehe das auch in meiner Heimat: Es fehlen derzeit überall Ärzt:innen, sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Medizinstudienplätze in den letzten zehn Jahren halbiert – das ist absolut nicht förderlich.

Dabei wäre das Geld eigentlich da, um die Studienplätze weiter auszubauen und zu finanzieren.

Woher sollen die Mittel und das Personal kommen?

Hauptsächlich aus staatlichen Geldern – so wie bisher. Unserer Meinung nach ist das auch weiterhin möglich. Die Hochschulen erhalten ja bereits einen bestimmten Saldo pro Studierenden, mit dem sie Fakultäten und weiteres finanzieren.

Was wir fordern, ist eine klare Ausweitung der Investitionen in Bildung. Denn Bildung ist für uns ein Grundrecht – und jede:r sollte zumindest die Möglichkeit bekommen, zu studieren. Ob man das Studium dann tatsächlich abschließt, ist eine individuelle Entscheidung. Aber es darf auf keinen Fall an fehlendem Personal oder mangelnder Finanzierung scheitern.

Ihr setzt euch für eine freie Wahl von Namen und Pronomen an der Uni ein. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Wie lässt sich das im Prüfungswesen umsetzen, wo die Identität eindeutig verifiziert werden muss? 

Es gibt ein eindeutiges Identitätsverifikationssystem – und das ist der Studierendenausweis. Wenn jemand eine Änderung des Namens oder der Pronomen an der Hochschule wünscht, sollte das selbstverständlich auch auf dem Ausweis sichtbar sein. Ich sehe keinen Grund, warum das nicht umsetzbar sein sollte. Die Identifizierbarkeit der Person ist dadurch keineswegs gefährdet, denn das sollte im Verwaltungssystem abbildbar sein.

Wie oft sollte eine Namensänderung für Studierende aus eurer Sicht möglich sein? 

Es gibt nachvollziehbare Gründe, warum Menschen ihren Namen ändern – meist passiert das ein- oder vielleicht zweimal. Und auch wenn es weniger sichtbare Gründe gibt, ist der tatsächliche Anteil an Studierenden, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, vermutlich sehr gering.

Wir sehen aktuell in Deutschland, dass mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz eine jährliche Namensänderung ermöglicht wurde. Das wäre natürlich auch bei uns eine denkbare Option.

Wie verhindert man, dass sich jemand einfach als jemand anderes ausgibt? 

Na ja, dafür gibt es weiterhin Identifikationsmöglichkeiten. Man muss ja ohnehin den Studierendenausweis bei Prüfungen vorlegen. Das Lehrpersonal sollte also auch auf das Foto achten. Wenn man sich auf dem Bild im Ausweis wiederfindet, sollte es auch mit der tatsächlichen Person übereinstimmen – und damit wäre die Identität klar.

Ihr fordert Chancengleichheit für alle Studierenden – gleichzeitig dürfen laut Satzung nur FINTA*-Personen Spitzenkandidat:innen eurer Bundespartei werden. Und wenn eine FINTA*-Person einen Safe Space einfordert, müssen Cis-Männer den Raum verlassen. Wie passt das zusammen? Besteht da nicht die Gefahr, dass man bestehende Ungleichheiten durch neue Formen von Ausschluss reproduziert?

Das glaube ich persönlich nicht. Satzungsgemäß habe ich kein Problem damit, dass nur FINTA*-Personen Bundesspitzenkandidat:innen werden können, vor allem, weil wir in den letzten Jahren unglaublich gute Bundesspitzenkandidat:innen hatten. Unsere Listen sind paritätisch besetzt – das muss auch so sein. Uns geht es darum, als feministische Fraktion die Stimmen von FINTA*-Personen zu stärken, und das liegt uns sehr am Herzen.

Ich sehe keinen großen Widerspruch darin. Persönlich habe ich nicht das Gefühl, dass meine Chancen dadurch beeinträchtigt werden. Klar, ich könnte nicht Bundesspitzenkandidat:in werden, aber das ist auch nicht mein Ziel.

Ihr setzt euch für mehr Flexibilität im Studium ein, etwa durch den Ausbau von Hybridlehre, ein Recht auf Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen und eine leichtere Vereinbarkeit von Job und Studium. Wie wollt ihr diese Maßnahmen konkret umsetzen und sicherstellen, dass alle Studierenden davon tatsächlich profitieren?

Na ja, der weitere Ausbau der hybriden Lehre war während Corona ja mehr oder weniger ein Selbstläufer. Ich denke, das lässt sich auch wiederholen. Der Vorteil wäre wahrscheinlich, dass Studierende nicht 24/7 vor Ort sein müssten. Da sehe ich schon die Möglichkeit, das weiter auszubauen.

Zudem gibt es eigentlich in jedem Vorlesungssaal und Hörsaal an der Uni Möglichkeiten zur Aufzeichnung von Vorlesungen. Allerdings habe ich auch selbst schon die Erfahrung gemacht, dass sich Lehrpersonal geweigert hat, diese Aufzeichnungen zu erstellen. Ein weiteres Problem ist, dass in einem Hörsaal mit 600 Plätzen oft mehr als 600 Studierende angemeldet sind. Das führt dann dazu, dass man entweder auf den Stufen sitzen muss, was gegen Brandschutzbestimmungen verstößt, oder gar nicht teilnehmen kann. Die technischen Möglichkeiten zur Aufzeichnung sind an der Uni eigentlich recht niederschwellig und gut umsetzbar, vor allem mit der Unterstützung des technischen Supports.

Was das Thema Arbeiten neben dem Studium angeht: Wir fordern einerseits die Möglichkeit für ein Teilzeitstudium. Darüber hinaus möchten wir auch Beurlaubungen für Studierende einführen, die arbeiten müssen, um sich selbst zu finanzieren. Es muss möglich sein, eine Auszeit zu nehmen oder das Studium in reduzierter Form fortzusetzen, ohne dafür benachteiligt zu werden – zum Beispiel durch zusätzliche Stundengebühren nach den Toleranzsemestern. Generell sind wir gegen Studiengebühren und fordern ein Grundstipendium für alle Studierenden, damit Arbeit neben dem Studium nicht mehr notwendig ist. Bis wir dieses Ziel erreichen, braucht es aber dringend konkrete Maßnahmen, die das Studium neben der Arbeit erleichtern.

Ihr wollt ein Grundstipendium einführen und die Studienbeiträge abschaffen. Wie soll das finanziert werden? 

Meines Wissens nach macht der Anteil der Studienbeiträge an der Finanzierung der Hochschule nur einen geringen Teil aus. Besonders, weil diese Gebühren für viele auch ein Anreiz sind, das Studium vor Überschreitung der Toleranzsemester abzuschließen und nicht zu bezahlen. Die Hochschule wird primär aus öffentlichen Geldern finanziert, und das sollte auch weiterhin der Fall sein. Das Grundstipendium soll sicherstellen, dass jeder die Möglichkeit hat, zu studieren – das ist auch freier Hochschulzugang. Diese Grundfinanzierung würde ein solides Standbein bieten, um Studierende aus der Armut zu halten und denen, die sonst keinen Zugang zur Hochschulbildung hätten, die Chance zu geben, zu studieren.

Ihr fordert ein kostenloses Klimaticket für alle Studierenden.  Jetzt ist Österreich aber in einer Rezession, wir haben ein haushohes Budgetloch und uns drohte schon ein EU-Defizitverfahren. Aus Kostengründen wird das kostenlose Klimaticket für 18-jährige jetzt auch abgeschafft. Wie soll da ein kostenloses Klimaticket für die vielen hunderttausenden Studierenden in Österreich finanziell drin sein?

Im Endeffekt hat die letzte Regierung gezeigt, dass es möglich ist, das Klimaticket für alle 18-Jährigen anzubieten. Ja, Österreich ist in einer Rezession, aber es ist nicht so, als würde dem Staat wirklich das Geld fehlen. Vieles fließt in die Wirtschaft, und auch klimaschädliche Subventionen sind dabei. Wenn man also beginnen möchte, am Budget zu sparen, könnte es sinnvoll sein, dort anzusetzen. Denn klimaschädliche Subventionen werden uns mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus der Rezession heraushelfen – zumindest sieht es momentan nicht danach aus. Diese Gelder könnten stattdessen in den Sozialstaat investiert werden. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Gewerbesteuern zu erhöhen.

Kann sich dann nicht auch einfach jeder immatrikulieren, der ein kostenloses Klimaticket möchte, auch wenn die Person gar nicht studieren will?

Diese Möglichkeit besteht sicherlich – das sieht man auch in Deutschland. Vor dem Deutschlandticket gab es dort die Semestertickets, und viele haben sich immatrikuliert, um einen extrem günstigen Tarif zu bekommen. Andererseits profitieren die Hochschulen trotzdem davon: Auch wenn die Studierenden nicht prüfungsaktiv sind, erhalten die Hochschulen dennoch Gelder pro Student.

In der jetzigen Bundesregierung ist das unrealistisch – muss man bei seinen Forderungen nicht im Rahmen des Möglichen bleiben?

Das halte ich persönlich für den falschen Ansatz. Ich finde, man muss immer mehr fordern, als man tatsächlich durchsetzen kann – sonst nimmt man sich selbst die Grundlage für Verhandlungen. In Gesprächen kann man dann sagen: Okay, wir geben an der einen Stelle nach, dafür behalten wir einen anderen Punkt bei oder versuchen es ein anderes Mal noch einmal.

Und ich halte die meisten unserer Forderungen auch für realistisch und umsetzbar. Unser Wahlprogramm besteht aus Dingen, von denen wir uns erhoffen, dass sie durchzubringen sind.

Wenn wir weniger fordern würden, hätten wir wahrscheinlich auch weniger Hoffnung, überhaupt etwas verändern zu können. Es ist also auch eine Frage des Antriebs. Wir halten an unseren Forderungen fest.

Darüber hinaus fordert ihr den Ausbau der Fernzüge. Aber gerade grenzüberschreitender Zugverkehr ist doch oft eine zwischenstaatliche Angelegenheit, die in der Verantwortung von Verkehrsministerien oder der EU liegt. Wie wollt ihr als Studierendenvertretung hier realistisch gesehen Einfluss nehmen?

Na ja, das Verkehrsministerium – sowohl vom Land Tirol als auch vom Staat Österreich – ist doch sehr stark an diesem zwischenstaatlichen Abkommen beteiligt. Wir haben dazu auch einmal mit einem unserer grünen Landtagsabgeordneten gesprochen. Dabei ging es zum Beispiel um die Strecke Innsbruck–München, bei der es relativ schwierig ist, die Taktung zu erhöhen, da sie gewissermaßen in privater Hand der ÖBB liegt – da kommt man schlecht ran. Der Handlungsspielraum ist dort also begrenzt, aber man kann sich trotzdem weiterhin dafür einsetzen.

Ein besonderes Anliegen ist uns die Verbindung zum Brenner. Wir möchten erreichen, dass die Taktung dorthin verbessert wird – sowohl für Südtiroler Studierende als auch für alle anderen, die in ihrer Freizeit Richtung Südtirol oder Italien reisen möchten. Auch wenn das primär eine Entscheidung der ÖBB ist – abgesehen von der Gleisvergabe, die zwischen ÖBB und Trenitalia abgestimmt werden muss – hoffen wir, hier Gespräche mit den zuständigen Stellen führen zu können. Das Anliegen ist aus Sicht der Studierenden jedenfalls dringlich.

Welche Lehren habt ihr aus den letzten zwei Jahren gezogen – und welche Veränderungen oder Verbesserungen wollt ihr in den kommenden Jahren umsetzen, um mehr für die Studierenden zu erreichen?

Ich glaube, eine der wichtigsten Lehren, die wir aus unserer Zeit in der Exekutive gezogen haben, ist, zunächst einmal den Rahmen der Möglichkeiten auszutasten: Wo kommen wir leicht ran, wo lassen sich gute Connections aufbauen, wo lässt sich effektiv etwas fordern und tatsächlich auch durchsetzen.

Ein Bereich, den wir in Zukunft noch stärker ausbauen wollen, sind die Verbindungen der ÖH – sowohl zum Bund als auch innerhalb der Universität. Wir wollen die Position der ÖH weiter stärken und verankern. Ein konkretes Beispiel ist der neue Vizerektor für Infrastruktur, der sich aktuell noch einarbeitet. Die Zusammenarbeit mit seinem Vorgänger war sehr positiv, und wir hoffen, dass wir daran anknüpfen können – insbesondere bei unseren Zielen rund um Klimaneutralität und Umweltschutz.

Darüber hinaus wird es immer wichtiger, die Wahlbeteiligung zu erhöhen – und dafür muss sich auch die Öffentlichkeitsarbeit der ÖH verbessern. Viele Studierende wissen gar nicht, welche Angebote es vonseiten der ÖH gibt. Ein gutes Beispiel ist der neu aufgesetzte psychotherapeutische und psychologische Fördertopf: Mehr als die Hälfte der Studierenden, mit denen ich darüber gesprochen habe, hatte davon noch nie gehört. Und das ist schade, denn es ist ein wichtiges Projekt zur Förderung der psychischen Gesundheit.

Danke für das Gespräch!

 

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