Georg Trakl – ein Mann und sein Turm

von Nadine Schmidhammer
Lesezeit: 5 min
Klingt schon interessant, so als Schreiberling vor sich hin zu schreiben und über 100 Jahre später wird dafür ein Turm nach einem selbst benannt. Doch Georg Trakl hat nicht nur „so vor sich hingeschrieben“, sondern die österreichische Literatur geprägt.

Als fünftes von sieben Kindern in eine Salzburger Eisenhändler Familie hineingeboren, hatte Georg Trakl kein einfaches Verhältnis zu seinen Familienangehörigen. Die drogenabhängige Mutter war meist nicht im Stande, sich angemessen zu kümmern, und so diente die französische Hauslehrerin Marie Boring als Ersatz und kümmerte sich um die Kinderschar. Von ihr schaute er sich auch die Faszination für französische Literatur ab und wurde in seinem späteren Wirken von Persönlichkeiten wie Arthur Rimbaud oder Charles Baudelaire beeinflusst. Zu seiner Schwester Margarethe baute er eine inzestuöse Bindung auf, da er in ihr in gewisser Weise sein Gegenstück sah. Diese ungewöhnlichen Umstände spiegeln sich in Teilen später auch in seiner Karriere wider, und das Wirrwarr aus Problemen führte schließlich zu dem einem großen Dichter unwürdigen Ende.

Höhen und Tiefen

Während seiner Ausbildung zum Apotheker, für welche er sich entschied, nachdem er das Gymnasium abgebrochen hatte, begann Trakl mit Rauschmitteln zu experimentieren. Doch dem Schreiben zugetan, entwirft er seine ersten Dramen. Als 1906 die ersten beiden Theaterstücke uraufgeführt werden und sich als Misserfolge herausstellen, zieht er sich zurück und wendet sich von der Welt der Literatur ab. In einem erneuten Hin und Her beginnt er zunächst ein Pharmaziestudium in Wien, welches er schließlich für ein Jahr als Sanitäter beim Militär wieder abbricht, und findet schlussendlich sogar doch irgendwie wieder den Weg zurück in die literarischen Kreise. Er lernt seinen späteren Förderer Ludwig von Ficker kennen und publiziert in dessen Zeitung Der Brenner, was ihm zum künstlerischen Durchbruch verhalf. Neben diesem expressionistischen Blatt veröffentlichte er auch Gedichte in Die Fackel von Karl Krauss und war somit endgültig in der Dichter-High-Society angekommen.

Doch wie es leider vielen großen Stars eben so ergeht, war er psychisch stark angeschlagen. Belastet von der turbulenten Beziehung mit seiner Schwester, den Drogen und in Geldnot, trifft er im August 1914 eine fatale Entscheidung. Er meldet sich als freiwilliger Sanitäter für den großen Krieg und wird sogleich nach Galizien versetzt. Der nervlichen Belastung an der Front konnte der angeschlagene Pharmazeut-Strich-Dichter nicht standhalten. Kurz vor der Überdosis Kokain stellte er im Lazarett noch sein wohl bekanntestes Werk Grodek fertig. Am 3. November 1914 endete Trakls Leben.

Der Expressionist

Heute wird Trakl neben, unter anderen, Gottfried Benn und Georg Heym der Strömung des Expressionismus zugeordnet. Er sticht durch das Erschaffen einer schwermütigen, depressiven Welt und den in ihr erzeugten Bildern heraus. In seinen Werken verarbeitet er sein Leben und die Strapazen darin. Dadurch, dass er zudem mit nur wenigen anderen Autoren verkehrte und somit unbeeinflusst von den „großen“ Expressionisten seiner Zeit bleibt, entstehen besondere Gedichte, wie Grodek:

„[…] Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;

Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.

O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre

Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,

Die ungebornen Enkel.“

Derartige Züge entwickelte Trakl, nachdem er in seinen frühen Werken zunächst die französischen Symbolisten oder Romantiker, wie Friedrich Hölderlin, nachahmte. Der Ton, den er in seinen Gedichten anschlägt, änderte sich, als er begann, für Ludwig von Ficker zu schreiben. Durch das Aufkommen der Moderne entwickelt sich bei vielen zunehmend das Gefühl, sich in der Gesellschaft unwohl zu fühlen. Doch Trakl, anders als andere Lyriker der Zeit, verarbeitet dieses Gefühl nicht in verallgemeinernden Gesellschaftskritiken, sondern hält stets nur sich selbst und seiner Lebensrealität den Spiegel vor. Zwischen den sanfteren Worten am Beginn seines Schreibens und den drastischen Beschreibungen im obigen Gedicht liegt auch noch ein literarischer Abstecher ins religiöse Milieu, das den gläubigen Katholiken schlussendlich doch nicht vor dem Entsetzen des Krieges bewahrt. In Grodek (benannt nach einer Stadt, die Kriegsschauplatz war und heute Horodok heißt) verarbeitet er dieses Entsetzen und stellt das damit einhergehende Chaos in einen starken Kontrast zur Ruhe der umliegenden Natur.

Foto: Elias Walder

Nun ein Universitätsgebäude

Den 3. Februar, Trakls Geburtstag, nimmt die Universität Innsbruck zum Anlass, das Gebäude (oder besser gesagt den zehnstöckigen Turm) in der Josef-Hirn-Straße 5-7 nach dem Lyriker zu benennen. Für eine:n Uneingeweihte:n kann sich dann schon einmal die Frage stellen: Wieso denn genau da?

Nein, nicht weil man in Innsbruck besonders leicht depressiv wird, in den Krieg zieht, etwas mit seiner Schwester anfängt, in die Sucht abrutscht oder seine abhängige Mutter vermisst. All dies muss für die Namensgebung aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Georg Trakl führte zwar ein turbulentes Leben, doch genau dieses Leben machte ihn zu einem bemerkenswerten, herausragenden Künstler. Und dieser Künstler soll geehrt werden.

Trakl verbrachte bis zu seinem Frontdienst die meiste Zeit, auch jene seiner künstlerischen Blüte, in Innsbruck, nah bei seinem Freund und dem Brenner-Herausgeber Ludwig von Ficker. In seinen Werken aus dieser Zeit kann man Innsbruck und seine Orte immer wieder herauslesen, und ganz nebenbei wurden seine sterblichen Überreste sogar von Krakau nach Mühlau verlegt, sodass sich sogar seine Grabstädte nun ganz in der Nähe befindet. Fun-Fact: Den entsprechenden Friedhof kann man sogar von den oberen Stockwerken des Trakl-Turmes aus sehen. Genug Gründe also für ein Trakl-Gebäude in Innsbruck. Genau dieses wurde ausgewählt, weil sich hinter den Steinmauern das Forschungsinstitut Brenner-Archiv befindet und in diesem wiederum mehr als die Hälfte des Nachlasses von Georg Trakl zu finden ist. Aufgrund all dieser Tatsachen kam Ulrike Tanzer, Leiterin des Brenner-Archivs und damals Vizerektorin für Forschung, die Idee, den Turm nach Trakl zu benennen und auch symbolisch eine gute Repräsentationsfigur für die Arbeit des Institutes zu finden. Gelungen.

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