Eine Nacht voller Wissenschaft

von Chiara Geppert
Lesezeit: 6 min
Am Freitag, dem 20.05.2022, fand die „Lange Nacht der Forschung“ in Innsbruck statt. Über 2.700 Stationen boten Gelegenheiten zum Staunen, Mitmachen und Lernen. Wir waren an vier Standorten live dabei.

Technik-Campus

Der Freitag ist der perfekte Sommertag: blauer Himmel, Sonnenschein und Hitze. Vogelgezwitscher empfängt uns draußen vor der Technik. Im lichtdurchfluteten, meterhohen Glasbau sammeln sich die Menschen traubenförmig um die Tische; mit geduckten Köpfen und leuchtenden Augen werden neugierig die verschiedensten Experimente beobachtet. Hier wird man mit durch die Luft „rollenden“ Rauchringen aus Tonnen abgeschossen, dort lässt man Schaumküsse unter einer Glaskugel schrumpfen oder wachsen. Schüchtern nähern sich Kinder der zischenden Plasmaspule oder schieben begeistert wie beim Spiel „Das verrückte Labyrinth“ Platten hin und her, um so Licht weiterzuleiten.

Wir erfahren, wie künstliche Intelligenzen für richtige Entscheidungen belohnt werden, indem wir selbst bunte Kugeln aus Kästchen ziehen und bei Erfolg ein Kaubonbon bekommen. Mithilfe eines magnetischen Feldes sehen wir Kreisel schweben und uns wird begeistert von „Seeker Chronicles“ erzählt, das „Universum in einem Kartenspiel“, wo wir auch gleich zum Mitspielen eingeladen werden. Es gibt„Mathematik zum Ausprobieren“, wo wir eigene „Verschlüsselungsmaschinen“, Cäsar-Scheiben, basteln können und alles über das Codieren und De-Codieren lernen.

Botanischer Garten

Raus aus der Technik und rein in den Botanischen Garten; als komplettes Kontrastprogramm werden wir dort im Gewächshaus empfangen. Die schwüle Hitze zieht aus dem geöffneten Tropenhaus zu den Ständen herüber, der schwere, satte Geruch von Erde liegt in der Luft. Das erste, was man sieht, sind Abbildungen von diversen Tagfaltern, plätschernde Aquarien mit Wasserpflanzen und kleinen Bewohnern und grün, grün, grün! Bilder von Zellaufnahmen werden an die Wand projiziert, Mikroskope sind zum Hineinschauen aufgestellt. Wir erfahren Näheres über die „Rote Liste“ von seltenen und gefährdeten Pflanzenarten, so gibt es vom „Schwarzen Streifenfarn“ aktuell nur ein einziges bekanntes Individuum in Nordtirol, und wir kriegen Holotypen und Isotypen von neuerdings belegten Pflanzenarten gezeigt.

Uns werden die Superkräfte von verschiedenen Pflanzen erklärt, es wird Hanftee ausgeschenkt und mehrere Pflanzen zum Probieren gereicht, darunter Enzian, welcher bitter schmeckt, und Süßholz, woraus man Lakritze macht. Wir lernen den Unterscheid zwischen echtem Lavendel und Speiklavendel und dass der Klettverschluss eine Erfindung der Natur ist. Im Tropenhaus werden unterschiedliche fleischfressende Pflanzen gezeigt. An den Kakaobohnen vorbei kommt man zu einem weiteren Stand. Hier erfahren wir alles über die Bestäubung, natürliche und künstliche, lernen, dass Bienen eigentlich fünf Augen haben und warum es so ein Spektakel war, als die Vanillepflanze im Botanischen Garten im vorigen Jahr zum ersten Mal geblüht hat.

FH Gesundheit

Auch in der FH Gesundheit (Innrain 98) gibt es viel zu entdecken. Da kann man zum Beispiel nach einem langen Bib-Tag Verspannungen im Rücken lösen, indem man den „TensionTerminator“ testet. Wer nach einer Alternative zu Ice an der Chain sucht, kann seine eigene DNA extrahieren und damit eine Halskette basteln. Uns springt eine Station besonders ins Auge, nämlich die des Studiengangs Augenoptik. Der Studiengangsleiter erklärt uns anhand eines Modells die Basics: Treffen Lichtstahlen auf das Auge, werden die an der Linse gebrochen und so auf die Netzhaut fokussiert. Dort sitzen Millionen von Nervenzellen, die die Signale detektieren und an das Gehirn weiterleiten. Liegt der Fokus der Linse nicht genau auf der Netzhaut, sondern davor oder dahinter, sind wir kurz- beziehungsweise weitsichtig. Eine Brille oder Kontaktlinsen sind die Lösung.

Doch in der Augenoptik wird nicht nur theoretischen Wissen über die Funktionsweise der Augen vermittelt. Es kommen auch faszinierende Geräte zum Einsatz, mit denen unser vielleicht schönstes Sinnesorgan erforscht wird. Zwei engagierte Studierende bedienen eine spezielle Kamera, mit der ein Bild von der eigenen Iris aufgenommen werden kann. Das Foto kann man sich per Mail zuschicken lassen und diese Gelegenheit sollte man auf keinen Fall verpassen, denn die Ergebnisse können sich sehen lassen: In der extremen Nahaufnahme zeigt sich, dass keiner nur eine einzige Augenfarbe hat. In dem Kunstwerk einer Iris findet sich eine atemberaubende Vielzahl an Mustern, Formen und Farben – so einzigartig wie unser Fingerabdruck!

Campus Innrain GEIWI

Im Gebäude der Geiwi ist so einiges los, die Stationen sind gut besucht und die Stimmung heiter. Letzteres trifft ganz besonders auf den Stand der Slawistik zu, an dem uns mit großer Begeisterung von der glagolitischen Schrift erzählt wird. Die wurde im 9. Jahrhundert n. Chr. von dem Mönch Konstantin-Kyrill entwickelt, um christliche Texte im slawischen Raum zu verbreiten. Einige der Schriftzeichen finden ihre Entsprechung in unserem lateinischen Alphabet, sodass man Glagolitisch als eine Geheimschrift verwenden kann (auf dem Foto steht „Unipress“ in glagolitischer Schrift). Wer selbst einmal eine Botschaft so verschlüsseln will, findet die Schriftzeichen z.B. auf Wikipedia.

An einer weiteren Station präsentiert die Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften ein Gletschermodell der besonderen Art: Ein ausgehöhlter Baumstamm dient als „Landschaft“, durch die sich ein „Gletscher“ in Form von einer klebrigen Flüssigkeit seinen Weg bahnt. Ein echter Gletscher fließt tatsächlich und transportiert dabei große Mengen an Gestein. Muss der Gletscher durch eine Engstelle, dann fließt er schneller – das alles kann man mit Hilfe des Baumstamm-Modells leicht erklären. Wissenschaft zum Anfassen bietet auch die „Virtual Reality Sandbox“, die einen zum Allmächtigen im Sandkasten werden lässt. Berge erschaffen, Täler fluten und das Wetter kontrollieren, das alles geht hier mit links.

Bei der Arbeitsgruppe für energieeffizientes Bauen vom Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften lernen wir, dass die Wärmedämmung von Gebäuden die Emissionen durch Heizen senkt – allerdings ist Dämmung nicht gleich Dämmung. Der Einsatz von Styropor ist wohl am billigsten, bringt aber auch Nachteile mit sich. Bei Konstruktionsfehlern kann sich Kondenswasser bilden, das die Bausubstanz angreift. Vor allem ist die Entsorgung schwierig, weil die Dämmplatten meist mit giftigen Flammschutzmitten beschichtet werden und direkt auf die Fassade aufgeklebt werden, sodass die Mülltrennung problematisch ist. Umweltfreundlichere Alternativen sind Steinwolle, Holzfaserplatten und Zellulosefasern aus Altpapier, die in die Wand eingeblasen werden. Mit einer Wärmebildkamera kann man die Isolationswirkung des Dämmmaterials sichtbar machen – oder einfach lustige Fotos aufnehmen.

Mit diesen Impressionen lassen wir die lange Nacht der Forschung ausklingen und freuen uns auf viele weitere spannende Programmpunkte beim nächsten Mal.

 

1 Kommentar

Markus 25. Mai 2022 - 13:07

Ein sehr informativer und interessanter Artikel.
Sehr gut und verständlich geschrieben. Da bekommt man auf jeden Fall Lust das nächste mal dabei zu sein.

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