Die Maria-Theresien-Straße im Porträt

von Julia Hohengasser
Lesezeit: 4 min
Die Maria-Theresen-Straße ist die bedeutendste Prachtstraße Innsbrucks. Doch wird die beliebte Shoppingmeile ihrer adeligen Namensgeberin gerecht?

Benannt nach der Habsburger Kaiserin Maria Theresia von Österreich ist die Maria-Theresien-Straße in Innsbruck die umschwärmteste Straße der Stadt – und das seit Jahrhunderten. Auf dem Boulevard im Zentrum der Stadt, mit Blick auf die Nordkette des Karwendelgebirges, spielt sich das Leben ab. Keine der Straßen in der Innenstadt hat so viel zu bieten. Prachtvolle Fassaden, eine breite Straße zum Herumschlendern, zum Sehen und Gesehen werden, viele Geschäfte mit Schaufenstern, Cafés sowie Sitzplätze in der Fußgängerzone. Genau wie ihre Namensgeberin vereint die Maria-Theresien-Straße Moderne und Tradition. Jahrhundertealte Innsbrucker Wahrzeichen und modische Neubauten, die sich hier die Waage halten, fließen nahtlos ineinander und ergeben in ihrer Symbiose ein formvollendetes Stadtbild. Die Annasäule und die Triumphpforte stehen hier nicht im krassen Gegensatz zum Kaufhaus Tyrol oder den RathausGalerien. Vielmehr ist die an Abwechslung kaum zu überbietende Architektur der benachbarten Gebäude sinnbildlich für die bewegteste Straße Innsbrucks. Maria Theresia würde sich wohl darüber freuen, wenn sie wüsste, dass in der nach ihr benannten Straße alt auf neu trifft. Die Kaiserin war bekanntlich sehr konservativ, brachte jedoch auch viel frischen Wind in das Kaiserreich.

Rückblick in die Geschichte

In den historischen Altbauten findet man heute verschiedenste Geschäfte, Restaurants und Cafés.

Durch die vielen Cafés, Restaurants und Nachtlokale ist es in der Maria-Theresien-Straße immer geschäftig. Doch die Prachtstraße war nicht immer so angesehen wie heute. Zu ihrer Gründung vor mehr als 700 Jahren standen hier lediglich ein paar Bauernhäuser. Die Straße war damals durch eine mächtige, mittelalterliche Ringmauer abgeschirmt und konnte von hier aus nur durch das St.-Jörgen-Tor betreten werden. Genau an dieser Stelle befindet sich heute der Eingang zur Herzog-Friedrich-Straße, die zum Goldenen Dachl führt. Schon bald jedoch errichteten viele Adelige vor den Toren ihre Häuser, da dies dank der Nähe zum landesfürstlichen Hofs viel praktischer war. Außerdem waren die  neuen Stadthäuser viel gemütlicher als ihre zugigen alten Burgen. Einige dieser neuen Häuser wurden in der Barockzeit zu prunkvollen Palais umgebaut. Sie erfreuen auch heute noch unser Auge, wie zum Beispiel das Palais Gumpp, das heutige Landhaus, oder das gegenüberliegende Palais Trapp mit zauberhaftem Innenhof und Café.

Emanzipation und die zunehmende Popularität der Shoppingmeile

Die Triumphpforte ist seit ihrem Bau im Jahr 1765 eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Innsbrucks.

Maria Theresia ging als starke Herrscherin und gleichzeitig liebevolle Matriarchin in die Weltgeschichte ein. Nicht nur ihre Heiratspolitik, sondern auch die von ihr eingeführte Bildungspolitik haben das Land und die Gesellschaft bis heute revolutioniert. Sie begründete das Haus Habsburg-Lothringen und stand als einzige Frau jemals an dessen Spitze. Außerdem war die österreichische Regentin eine frühe Ikone der Emanzipation. Während Ihrer Schwangerschaften und Geburten gelang es ihr, sich gegen den aggressiven Preußenkönig Friedrich II. zu bewähren und nebenbei ihr Reich zu reformieren. Nach dem Tod ihres Vaters Karl VI. fand sich das Habsburger Herrscherhaus zum ersten Mal in seiner Geschichte mit der Situation konfrontiert, dass kein männlicher Erbe zur Verfügung stand. Die Vorbehalte bei den Fürsten im europäischen Ausland gegen eine Frau auf dem Thron waren immens. Die damaligen Herrscher sowie deren Bevölkerung wetterten gegen eine “Weiberherrschaft” und sahen sie als einen Verstoß “gegen die Ordnung Gottes, der Natur und des Menschen“.  

Ob Maria Theresia wohl stolz auf die bedeutendste Straße Innsbrucks wäre? Würde sie in Erinnerungen an ihre Regentschaft schwelgen? Die einstige Neustadt war im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Schauplatz prunkvoller Festzüge, lebhafter Märkte, politischer Demonstrationen und wirtschaftlicher Erfolge.

Zufall oder Schicksal?

Der Lebenslauf der Kaiserin und die Geschichte der Maria-Theresien-Straße haben auf den ersten Blick scheinbar wenig gemeinsam. Doch bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die beiden vieles gemeinsam haben. Sowohl Maria Theresia als auch die von Jung und Alt geschätzte Straße hatten einen schwierigen Start. Beide konnten sich gegenüber Vorurteilen behaupten und stehen ihren Vorgängern um nichts nach. Und vielleicht philosophiert der ein oder andere ja darüber, ob es einfach nur ein Zufall war, dass unsere Kaiserin und die nach ihr benannte Straße einen nahezu gleichen Lebenslauf haben – oder ob es doch ein Wink des Schicksals ist.

1 Kommentar

Birgit Peintner 23. Oktober 2020 - 21:13

Sehr informativer Text mit hervorragendem Schreibstil. Vieles wusste ich selbst garnicht. ? Super Artikel immer weiter so ?

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